Netzentwicklungsplan out of control

Der  Netzentwicklungsplan 2037/2045 (2023) wurde am 28.03.2023 erstmals offiziell vorgestellt. Leider war für viele Bürger:innen eine Teilnahme an der entsprechenden Onlineveranstaltung aufgrund der Terminwahl an einem Vormittag nicht möglich. Ob dies bewusstes Handeln der Verantwortlichen war, bleibt dahingestellt. Aber Tatsache ist, der Netzentwicklungsplan explodiert förmlich! Neue HGÜ-Leitungen, diesmal auch in West-Ost Richtung, treffen auf „ahnungslose“ Gemeinden und Kommunen. Ist da Öffentlichkeitsarbeit überhaupt erwünscht?

 >> Stellungnahme des BBgS zum 1. Entwurf des NEP 2037/2045 (2023) <<
Keine Akzeptanz für neue Übertragungstrassen

Immer wieder wird den Trassengegnern vorgeworfen, nur eigene Interessen und Betroffenheiten in den Fokus zu stellen. Dörte Hamann, Sprecherin im bundesweiten Aktionsbündnis Trassengegner, bemängelt in der Pressemitteilung zum Netzentwicklungsplan die fehlende Bereitschaft von Politik und Wirtschaft, sich auf ein konstruktives Gespräch mit den Bürgerinitiativen einzulassen. Denn ausschlaggebend für die Ablehnung neuer Höchstspannungs-Übertragungsleitungen sind wesentlich differenziertere Gründe als die angebliche Angst vor einer veränderten Heimatkulisse, wie Wirtschaftsminister Habeck kürzlich in einer Pressekonferenz vermutet hat. …WEITERLESEN

Natürlich stand am Anfang der Bürgerbewegung die Sorge vor gravierenden Einschnitten in das persönliche Lebensumfeld, vor nicht einschätzbaren gesundheitlichen Risiken und auch die Angst vor Naturzerstörung in erheblichem Ausmaß. Aber den wahren Beweggründen der Menschen vor Ort und der Frage, warum Proteste nach über 10 Jahren immer noch nicht abklingen, begegnet man in der politischen Diskussion um den Netzausbau leider weiterhin mit Ignoranz. ( Stellungnahme des BBgS von 2021  zum Vorläufer des aktuellen NEP) 

Beweggründe für Bürgerinitiativenarbeit:
  • Im bundesweit aktiven Aktionsbündnis Trassengegner sind viele Mitglieder auch in der Bürgerenergie engagiert.
  • Den Ausbau von Erneuerbaren Energien mit Windkraft und PV-Anlagen zu fördern ist Aktionskonsens.
  • Die Menschen wollen Energiewende aktiv mitgestalten und Anteil an den geplanten Veränderungen haben – aber genau da versagt das Strommarktmodell der Bundesregierung.
  • Energiewende ist nicht beliebig umsetzbar. Sie kann nur mit Investitionen in die regionalen Verteilnetze gelingen.
  • Verteilnetzausbau muss Priorität vor Übertragungsnetzausbau haben, denn nur dieses Netz kann Erneuerbare Energien da aufnehmen, wo sie erzeugt werden.

Die kürzlich von unserem Aktionsbündnis Trassengegner organisierte Online-Veranstaltung mit Experten von BUND Naturschutz und dem Energieversorger N-ERGIE  hat einmal mehr gezeigt, dass sich viele Menschen mit dem Thema Netzausbau differenziert auseinandersetzen wollen und erkennen, dass Deutschland einzig zur Strom-Drehscheibe Europas umfunktioniert werden soll. Billiger Stromhandel weit über Deutschlands Grenzen hinaus, Direktverbindungen zu Datenzentren und Industrie, finanziert über die Netzentgelte privater Haushalte, der Gemeinden und Kommunen und  mittelständischer Unternehmen. Unter dem Vorwand der Versorgungssicherheit findet eine Vermögensumverteilung statt, die die Schere zwischen Arm und Reich immer größer werden lässt. Kosten werden sozialisiert, Gewinne privatisiert.

Signal gegen den überdimensionierten Übertragungsnetzausbau

Mit der Konsultation zum ersten Entwurf des  Netzentwicklungsplans 2037/2045 (2023)  kann die Öffentlichkeit (bis zum 25.04.2023) ein deutliches Zeichen gegen das Milliardengrab Übertragungsnetzausbau setzen. Warum Engagement so wichtig ist? Ein Beispiel:

Das niederländische Staatsunternehmen TenneT hat über Jahre rund eine Milliarde Euro Gewinn aus dem deutschen Stromnetz gezogen und zugleich kein Kapital in den Ausbau investiert. Nun will die Bundesregierung das Netz kaufen.

Auch die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kritisiert das Verhalten der Niederlande: „Es wurde einfach nur Geld abgezogen und nicht ausreichend investiert.“

„Dass man kritische Infrastruktur in die Hände der Niederlande gibt, war ein großer Fehler“, ist Kemfert überzeugt. Ein Fehler, der jetzt teuer bezahlt werden dürfte: Der Kaufpreis des TenneT-Netzes dürfte nach Schätzungen bis zu 25 Milliarden Euro betragen – und dann ist noch kein einziger Cent in den Ausbau selbst geflossen.

TenneT hat das Übertragungsnetz im Jahr 2009 für 1,1 Milliarden € gekauft, in 2023 sind nun 25 Milliarden € für den Verkauf im Gespräch. Was für ein Geschäft! Viel Geld, das man in den Ausbau der Erneuerbaren Energien vor Ort (mit Beteiligung von Bürgerenergiegenossenschaften, Gemeinden und Kommunen) und den Ausbau der Verteilnetzstruktur hätte investieren können, um die Energiewende einen großen Schritt voranzubringen.

Abgabe einer Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan:

direkt über ein Konsultationsformular auf:
https://www.netzentwicklungsplan.de/beteiligung/stellungnahme-abgeben

Für eine Veröffentlichung der  Stellungnahme muss eine ausdrückliche Einverständniserklärung vorliegen. Persönliche Daten werden unkenntlich gemacht.