Szenariorahmen ohne realistische Zukunfstperspektive

Ja, der Stromverbrauch wird steigen und ja, wir werden weiteren Netzausbau brauchen. Diese Kernaussagen zur künftigen Entwicklung im Energiesektor haben wir nie angezweifelt, denn immer mehr EE-Anlagen müssen an das Verteilnetz (!) angeschlossen werden. Aber: Der aktuelle Szenariorahmen zum Ausbau des Höchstspannungsnetzes in Deutschland bildet lediglich das Wunschdenken der Übertragungsnetzbetreiber ab, deren Zukunftsprognosen mit der Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmmen.  „Im Zweifelsfall einfach groß bauen“, sollte nicht der Leitgedanke der Netzplanung sein. Weder bei Strom noch bei Gas/Wasserstoff.

>> Stellungnahme zu den Szenariorahmen 2025-2037/2045 Strom bzw. Gas/Wasserstoff <<
Kurzfassung der aktuellen Stellungnahme:

Grundlage für den Ausbau der Höchstspannungsnetze bildet ein Szenariorahmen (SZR), den die vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) – 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW – gemeinsam erstellen. Dass sie dabei ihre Monopolstellung für eigene Geschäftsinteressen nutzen, haben wir vielfach beanstandet. Wir steuern auf ein Scheitern der Energiewende zu, wenn mit diesem SZR die falschen Signale an Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft gesendet werden.

Öffentlichkeitsbeteiligung

Leider ist die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Netzplanung dank vieler Gesetzesänderungen und spätestens seit Einführung der Präferenzraumverfahren endgültig zur Farce geworden. Konsultationsende und Genehmigung von SZR wie auch beim NEP liegen sehr eng beieinander. Es verfestigt sich der Eindruck, dass eine Berücksichtigung der privaten und kommunalen Konsultationsbeiträge letztendlich nicht beabsichtigt ist. Der anhaltende Zuwachs an geforderten Leitungsprojekten treibt die Kosten für den Umbau des Energiesystems ins Unermessliche, findet aber keine Berücksichtigung in den Entscheidungen der BNetzA.

Energie- und klimapolitischer Rahmen

Klimaschutz ist eng verbunden mit Biodiversität und dem Erhalt natürlicher Lebensräume. Somit ist jeder Eingriff in ein intaktes Ökosystem sorgfältig zu prüfen und nicht ausschließlich in „hoher Flughöhe“ zu bewerten.
Der Umbau des Energiesystems muss, trotz aller Motivation, auch volkswirtschaftlich vertretbar sein. Da die Kosten mit jedem SZR deutlich ansteigen, wird eine Kosten-Nutzen-Analyse immer wichtiger.

Szenariorahmen Gas/Wasserstoff

Neben dem Finanzierungsproblem für den Aufbau eines Wasserstoffkernnetzes wurden wichtige Diskussionspunkte im Vorfeld der Erstellung des SZR-Gas/Wasserstoff bereits ausgeschlossen. Auf entsprechende Kritik bei den Infoveranstaltungen wurde nicht ausführlich eingegangen. Die Parallelen zum Ausbau der Strom-Übertragungsnetze sind offensichtlich. Auch Gaskunden werden mit steigenden Netzentgelten in Zukunft konfrontiert werden.

Trotz technologischem Fortschritt wird Wasserstoff in der Produktion immer sehr teuer sein und sollte nur in den Bereichen eingesetzt werden, in denen es sinnvoll ist, wie z.B. in der chemischen Industrie. Die großen Bedarfe, die nun angemeldet werden, könnten nur über Importe gedeckt werden. Wir gehen dafür Kooperationen mit Staaten ein, die weder die Menschenrechte achten noch unsere Wertevorstellungen teilen.

Die bestehenden Gasnetze (Fernleitungen und Verteilnetze) umfassen eine beeindruckende Länge von 600.000 Kilometern. Nachdem das deutsche Gasnetz in den europäischen Transit eingebunden ist und somit weiterhin entsprechender Gasbedarf besteht, ergibt es keinen Sinn, sich vorrangig nur auf Wasserstoff zu konzentrieren.

Szenariorahmen Strom

Das Wirtschaftswachstum in Deutschland ist seit Jahren rückläufig, die Prognosen im SZR zum Energieverbrauch stimmen mit der Realität nicht mehr überein. Der Stromverbrauch wird langfristig zwar steigen, aber nicht in dem erwarteten Ausmaß. Es gibt keine Rechtfertigung für die überdimensionierten Ausbauforderungen, die seitens der ÜNB bei jeder Aktualisierung der Netzplanung (SZR-NEP) gestellt werden.

Die aktuelle Lage zeigt, gerade in Bayern schreitet der Zubau an erneuerbaren Energien zügig voran. Private Dachanlagen und PV-Freiflächenanlagen verzeichnen einen enormen Zuwachs. Um Netzstabilität zu gewährleisten, muss bei der Installierung von neuen Erzeugungsanlagen auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Wind und PV geachtet werden.

Spitzenkappung

Die ÜNB fordern die Aufhebung der Spitzenkappung mit der Begründung, Verteilnetzbetreiber würden diese nur begrenzt anwenden. Die Überprüfung dieser Aussage hat Folgendes ergeben: Wer Spitzenkappung anwendet, ist gesetzlich verpflichtet, dies auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Da, wo Ausbau erneuerbarer Energien stattfindet, wenden alle Verteilnetzbetreiber Spitzenkappung an.

Erneuerbare Energien sinnvoll ausbauen und Batteriespeicher integrieren

Eine 100%ige Einspeisegarantie für Projektierer bzw. Anlagenbetreiber hat mehr Netzausbau zur Folge und ist nicht mehr zeitgemäß. Denn sollten sich Erzeugung und Bedarf nicht decken, wird der überschüssige Strom einfach „weggeworfen“. Anlagen werden abgeregelt, wie es z.B. in den Mittagsspitzen bei PV-Anlagen derzeit geschieht. Für Anlagenbetreiber ändert sich dadurch wenig, denn die Kosten für den nicht produzierten Strom werden durch Ausgleichszahlungen kompensiert. Allerdings werden diese in die Netzentgelte eingepreist.

Speicher bieten eine Lösungsmöglichkeit, um sowohl erzeugungs- als auch lastbedingte Engpässe zu reduzieren. Zusätzlich sind Batteriespeicher im Mega- oder Gigawattbereich wesentlich schneller zu errichten, als das Stromnetz auszubauen. Wir sehen den Ausbau von Speichern als einzigen Weg, die Energiewende voranzubringen. Der Bedarf an Netzausbau sinkt und Redispatch-Maßnahmen verringern sich.

Elektrolyseanlagen

Elektrolyseanlagen können Engpässe im Stromnetz verhindern und somit die Systemkosten (siehe Abregelungen) und Netzausbau reduzieren. Allerdings setzt die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung vor allem auf neue Großkraftwerke, wodurch wieder ein zentralistisch gesteuertes Stromsystem mit großen, zentralen Kraftwerken (diesmal Gas/Wasserstoff basiert) etabliert werden soll.

Dezentrale Erzeugungs- und Verbrauchsstrukturen müssen in ganz Deutschland ausgebaut werden. Auch das Potential von Biomasse sollte besser genutzt werden, denn der richtige Technologiemix (Wind, PV, Biomasse, Speicher, Reservekraftwerke) in den einzelnen Regionen ist der Schlüssel zum Gelingen der Energiewende, ermöglicht eine optimale Balance zwischen Stromerzeugung und -bedarf und verringert den Netzausbau.