SuedLink 2.0 – Nachdem die vorrangige Erdverkabelung bei Gleichstromtrassen inzwischen durch den Gesetzgeber beschlossen wurde, muss Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) TenneT die Planungen zur SuedLink-Trasse neu aufsetzen. Auf Basis der neuen gesetzlichen Grundlagen wird zurzeit von Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur ein Methodenpapier entwickelt, das dem ÜNB konkrete Vorgaben für die weiteren Planungen geben soll. Dies beinhaltet auch die Berücksichtigung und Herleitung neuer Trassenkorridore.
Übertragungsnetzbetreiber TenneT möchte im Zuge der Neuplanungen zu SuedLink die Bürger und Bürgerinnen umfangreich informieren und gleichzeitig den künftigen Bürgerdialog optimieren. Welche Voraussetzungen letztendlich geschaffen werden müssen, um eine erneute Aufnahme von Gesprächen mit Bürgerinitiativen zu ermöglichen, wurde in einem analysierenden Rückblick zwischen Vertretern des BV-Sprecherkreises und Tom Wagner, dem Kommunikationsbeauftragten bei TenneT, erörtert.
Welche Anforderungen stellen wir an einen konstruktiven Bürgerdialog?
Nachdem die Bedarfsfrage für viele Bürger und Bürgerinnen nach wie vor nicht geklärt ist und damit eine Akzeptanz des SuedLink auch in Erdverkabelung nicht gegeben ist, erwarten wir die Erstellung eines Szenariorahmens ohne Gleichstromtrassen. Dabei sollten auch jene Studien und Gutachten einbezogen werden, die den SuedLink für nicht erforderlich halten.
ÜNB TenneT begrüßt inzwischen den Vorrang für Erdverkabelung – eine Vollverkabelung des SuedLink wäre aus dessen Sicht für die weiteren Planungen wahrscheinlich sogar die beste Lösung – doch um glaubwürdig zu sein, muss man bereit sein, sich den Argumenten der Bürger zu öffnen. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt könnte man sich bei den Planungen zu neuen Trassen-Korridoren an den besten Erdverkabelungsmöglichkeiten ausrichten und sich nicht erst auf das Planfeststellungsverfahren berufen.
Halbwahrheiten führen nicht zu mehr Akzeptanz, sondern schüren das Misstrauen in der Bevölkerung. Je mehr Hintergründe die engagierten Bürger und Bürgerinnen selbst recherchieren, umso klarer gestalten sich die eigentlichen Ziele des angestrebten gigantischen Netzausbaus. Der tatsächliche Bedarf an Strom für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.
Wenn für den Ausbau der Stromnetze eine europäische Energiepolitik verantwortlich zeichnet, deren vorrangiges Ziel der freie und uneingeschränkte Stromhandel mit allen zur Verfügung stehenden Energieerzeugungsmöglichkeiten ist, dann wird sich der Widerstand gegen die Gleichstromtrassen weiter verstärken. Wir Bürger/innen sind nicht erpressbar und wollen als ernst zu nehmende Gesprächspartner wahrgenommen werden. Wir wollen Fortschritt nicht verhindern, sondern gestalten.
Mehr Netze können nicht die Grundlage einer zukunftsorientierten Energiepolitik sein, die auf 100% EE-Versorgung ausgerichtet ist und daher sollten sich ÜNB schon heute darüber Gedanken machen, wie sie ihr Geschäftsmodell den neuen Anforderungen an das Energieversorgungsnetz inklusive Speichertechnologien anpassen können. Denn an Speichern führt kein Weg vorbei.
Um mehr Planungssicherheit zu erlangen darf man das Zielsystem der Energiewende nicht aus den Augen verlieren. Der Netzausbau wird viel Geld kosten, dies der Energiewende zuzuschreiben ist eine beabsichtigte Fehlinformation und wieder jenen zuzuordnen, die am alten System festhalten wollen und das Stromnetz als einzigen „Energiespeicher“ betrachten. Dass die Volatilität der erneuerbaren Energien einen vermehrten Ausbau von Stromnetzen bedeuten könnte, wird dabei gerne als Argument angeführt.
Politik sollte sich am Auftrag der Wähler orientieren und steht in der Verantwortung konsensfähige Lösungen mit allen Beteiligten zu finden. Das Gespräch mit der Öffentlichkeit ist hier genauso wichtig, wie die Berücksichtigung von sozialverträglichen Planungsgrundlagen beim Erstellen des Methodenpapiers. Die Vorgaben des Gesetzgebers sind hierbei richtungsweisend für die Übertragungsnetzbetreiber. Die Öffentlichkeit muss sich weiterhin in die Diskussion einbringen und anstehende Entscheidungen prüfen können, denn nur wenn allen dasselbe Sachwissen zur Verfügung steht, besteht die Möglichkeit zur konstruktiven Einflussnahme.
Wir werden das direkte Gespräch mit der Geschäftsleitung von TenneT anstreben um auszuleuchten, ob man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und zu einer ehrlichen und transparenten Zusammenarbeit bereit ist. Der Netzausbau wird sich weiter verzögern, wenn Politik, BNetzA und ÜNB nicht erkennen, dass wir Bürger ein Recht auf Mitbestimmung einfordern und zwar im Sinne eines fairen und ergebnisoffenen Bürgerdialoges.
Wenn im Jahr 2050 die Stromversorgung in Deutschland aus 80% erneuerbaren Energien abgedeckt werden soll, dann wird es Zeit, das gängige Marktmodell (sprich uneingeschränkten Ausbau von Stromnetzen) zur Energieversorgung schnellstens umzugestalten. Mit Blick auf unsere Nachbarstaaten bleibt zu unterstreichen, dass die Interessen von Europa nicht immer die Interessen Deutschlands sind. Atomkraft, Kohleverstromung und Fracking sind keine Optionen für eine umweltfreundliche Energiepolitik der Zukunft.
SuedLink ist ein Riesenprojekt und wirft immer noch mehr Fragen auf, als es Lösungen anbietet. Die Verantwortung ist hierbei auf politischer Ebene zu suchen. Übertragungsnetzbetreiber TenneT ist lediglich Auftragnehmer und daher nicht für den Bürgerdialog geeignet. Die Notwendigkeit und Bedarfsfrage für die geplanten Gleichstromtrassen sollte vom Wirtschaftsministerium bzw. der Bundesnetzagentur geklärt werden. Anhand von ministeriell (Umwelt, Gesundheit und Wirtschaft) getragenen und ressortübergreifenden Forschungsprojekten muss man sich der Verantwortung stellen und allen Rechenmodellen der Bedarfsermittlung (auch ohne HGÜ) gerecht werden.
Nur konsequentes Change Management wird zu einer erfolgreichen Energiepolitik führen. Das rasante Wachstum der Erneuerbaren Energien und die Weiterentwicklung von Speichertechnologien wird zunehmend flexible politische Entscheidungen und vorausschauendes Handeln einfordern. Der Wandel von regenerativen zu erneuerbaren Energieträgern stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen und bedeutet, wenn wir das Zielsystem der Energiewende weiter im Blick behalten wollen, müssen alte Muster (und alte Machtstrukturen) über Bord geworfen werden.
Der systematische Umbau unserer Energieversorgung bietet allen Betroffenen gleichermaßen die Chance ressourcenschonend, innovativ und wertschöpfend am Erfolg des Energiemodells Deutschland teilzunehmen. Neue Arbeitsplätze werden entstehen und der Forschung wird durch gezielte Förderung Raum zu bahnbrechenden Entwicklungsschritten ermöglicht.
Ob die politischen Vorgaben, zusammengefasst in dem von uns und auch den ÜNB mit Spannung erwarteten Methodenpapier, diesen Anforderungen entsprechen werden, bleibt abzuwarten.