300 Milliarden Investitionskosten in ein Stromnetz, das die Versorgungssicherheit nicht gewährleisten kann? Zerstörung wertvoller landwirtschaftlicher Flächen, Rodung intakter Waldgebiete aber kein Mitspracherecht für Landkreise, Gemeinden und Kommunen? Ist die Bundesnetzagentur inzwischen zum offiziellen Erfüllungsgehilfen der Übertragungsnetzbetreiber degradiert worden? Und werden europäische Stromhandelsgeschäfte zum Nulltarif über die deutsche Drehscheibe politisch nur mehr abgenickt, aber nicht hinterfragt? Was wird tatsächlich aus der Energiewende, wenn wir uns – zentralistisch gesteuert – weiter dem Diktat der Energiekonzerne und der Übertragungsnetzbetreiber beugen?
„Es läuft was schief, mit der Energiewende.“ – Dieses Gefühl teilen wir mit vielen Bürger:innen, wenn wir die aktuelle Stromnetzplanung ansehen. Niemand kann mehr nachvollziehen, wie sich innerhalb kürzester Zeit ein Netzentwicklungsplan dermaßen ausweiten kann. Mit Werbekampagnen in allen Medien gehen die Übertragungsnetzbetreiber in die Offensive und suggerieren dabei, ein gigantisches Netz an neuen Stromleitungen sei für das Gelingen der Energiewende zwingend erforderlich. Klimaneutralitätsnetz ist das neue Zauberwort. Wir haben berechtigte Zweifel an diesen Aussagen (siehe PM)
Energiekonzerne verteidigen ihre Vormachtstellung auf Kosten der Allgemeinheit
Ein Blick in die Europäische Union zeigt, wir sind weit entfernt von Klimaneutralität. Die Diskussion um Atomenergie bringt uns dem Ziel nicht näher, sondern verstärkt die Probleme. Durch die massive Förderung von Atomstrom mit Steuergeldern blieben die tatsächlichen Kosten für Verbraucher:innen immer intransparent, da diese nicht auf der Stromrechnung ersichtlich waren. Eine faire Berechnung der Strompreise hat nie stattgefunden. Dass die Gesellschaft über Generationen hinweg mit verseuchtem Müll belastet wird, Störfälle und Unfallgefahren ein extremes Risiko für das bevölkerungsreiche Europa darstellen und die Endlagersuche nach wie vor ungelöst ist, wurde hier noch gar nicht berücksichtigt.
Die vier Energieriesen – RWE, E.on, EnBW und Vattenfall – konnten Jahrzehnte lang den Energiemarkt und somit die Preise bestimmen. Das Potential von Ökostrom wurde erst Jahre später erkannt. Nun versucht man wieder durch den Aufbau eines zentralistisch gesteuerten Energiesystems diese Vormachtstellung aufrechtzuerhalten.Dazu will man gigantische Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee installieren und wirbt für einen Stromnetzausbau, der zu 70% für den grenzüberschreitenden Stromhandel benötigt wird. Je nachdem woher die Nachfrage kommt, kann Strom über das Transitland Deutschland hinweg ohne Netznutzungsgebühren für die Anliegerstaaten frei gehandelt werden. Auch Strompreiszonen – weiter Weg, höhere Kosten – gibt es nicht. Es ist die Allgemeinheit, die den Preis bezahlen wird:
300 Milliarden Euro für Investitionen in das Übertragungsnetz ohne die nationale Versorgungssicherheit dadurch zu gewährleisten.
Ein einzigartiges Beispiel verfehlter Energiepolitik
Selbst Klaus Müller (Präsident der Bundesnetzagentur) gibt sich angesichts der Kosten überrascht, aber dennoch wird der Netzentwicklungsplan voraussichtlich im Laufe des Monats Februar offiziell genehmigt werden. In Bayern reicht das Wunschdenken von Energieminister Hubert Aiwanger um eine neue Höchstspannungsleitung außerhalb der regulären Netzplanung medial zu propagieren und als quasi gesetzt zu kommunizieren.
Zahlreiche Beschleunigungsgesetze verhindern inzwischen Bürgerbeteiligung in Konsultationsverfahren. Die Bundesfachplanung mit öffentlichen Antragskonferenzen und anschließendem Erörterungstermin entfällt und wird durch ein sogenanntes Präferenzraumverfahren ersetzt. Hinweise von Bürger:innen, Verbänden und Institutionen werden nicht mehr diskutiert. Umweltauswirkungen sind nur mehr in einer strategischen Umweltprüfung (auf hoher Flughöhe, ohne detaillierte Bewertung) erfasst. Während sich Landkreise, Städte und Kommunen in zahlreichen Stellungnahmen besorgt äußern, wird eine Trassenplanung vorangetrieben, die jeglicher wirtschaftlichen und umweltpolitischen Vernunft widerspricht. Neue Stromleitungen haben uneingeschränkten Vorrang. Was Übertragungsnetzbetreiber fordern, wird politisch durchgesetzt und von der Bundesnetzagentur „abgenickt“. Ein zentralistisches System mit allen Mitteln unter Hochdruck und gewaltigen Kosten für die Allgemeinheit zu etablieren, behindert den Ausbau dezentraler und regionaler Erzeugungs- und Verbrauchsstrukturen.
Kostenexplosion wird erwartet
Steigende Netznutzungsgebühren werden den Strompreis wieder in die Höhe treiben. Da Subventionen aus Steuergeldern für das Jahr 2024 gestrichen wurden, ist dies nur eine Frage der Zeit. Noch kann die Kostensteigerung kompensiert werden, da im Vergleich zum Vorjahr die Börsenstrompreise gefallen sind. Aber letztendlich steht der Ausbau des Übertragungsnetzes in dieser gigantischen Dimension erst am Anfang.
>> Pressemitteilung – Übertragungsnetzausbau in der Kostenfalle <<
>> Hintergrundinformationen – Positionspapier zu den Stromkosten <<
100 Prozent erneuerbare Energien sind machbar, das wurde bereits mehrfach in Studien nachgewiesen. Die Energieversorgung kann bürgernah, in einem dezentralen Energiesystem umgesetzt werden. Windkraftanlagen an Land und Photovoltaik-Anlagen auf Dächern und Freiflächen erzeugen Strom dort, wo er gebraucht wird. Ein starkes (gut ausgebautes) Verteilnetz, Speicher und Reservekraftwerke sind der Grundstein für ein zukunftsfähiges Energiesystem, das durch weitgehende Unabhängigkeit von ausländischen Stromimporten auch die Versorgungssicherheit besser gewährleisten könnte. Blackouts werden hauptsächlich im Übertragungsnetz befürchtet, während das Risiko für zentrale Netzengpässe und Stromausfälle (auch durch Cyberangriffe) im Verteilnetz gering ist. Investitionen in eine dezentrale, unabhängige und sichere Energieversorgung lohnen sich auch aus diesem Grund.