Strategietreffen in Nürnberg mit BUND und Initiativen gegen den SuedOstLink

(16.07.2016) Auf Einladung des BUND (BN) Bayern trafen sich am vergangenen Samstag Vertreter/innen der Bürgerinitiativen gegen Sued- und SuedOstLink in Nürnberg, um sich mit Mitgliedern des BN über den aktuellen Stand der Übertragungsnetzplanungen auszutauschen und über die jeweiligen Erfahrungen aus dem Bürgerdialog zu berichten. Dabei wurde klar ersichtlich, dass Politik, Bundesnetzagentur (BNetzA) und Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) trotz gegenteiliger Beteuerungen den Bürgerdialog im Sinne von Ergebnis-Beteiligung ablehnen. Seitens des Übertragungsnetzbetreibers TenneT erfolgt eine klare Trennung zwischen Bürger- und Politikerinformation.

Platzhirsch TenneT zieht bereits die Fäden

Manipulativ, intransparent und weitestgehend den eigenen Interessen angepasst, lautet die einhellige Bewertung der neuen Kommunikationsstrategie des ÜNB TenneT. Während man einerseits die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung immer wieder thematisiert, werden andererseits die Netzplanungen eigeninitiativ insoweit vorangetrieben, dass man bereits zum jetzigen Zeitpunkt, also noch vor der Bundesfachplanung, Fakten schaffen will, die eine spätere Entscheidung zu Trassenverläufen, Netzverknüpfungspunkten und Konverterstandorten im Sinne des ÜNB erzwingt. Dazu gehören frühzeitige Grundstückskäufe ebenso wie der Bau eines neuen TenneT-Campus in Bayreuth (Investition 50 Millionen!), womit letztendlich die Schaffung von Arbeitsplätzen als Druckmittel gegen die Landesregierung in Bayern eingesetzt wird.

Auch die „HGÜ-Verkaufsveranstaltungen“ für Bürgermeister und Kommunalpolitiker sind strategisch geplant. In nichtöffentlichen Sitzungen wird gebetsmühlenartig die Notwendigkeit der Trassen für die Energiewende herausgestellt, die gesetzlichen Vorgaben der Bundesregierung zur Erdverkabelung fast schon als eigene Idee angepriesen und die gute Zusammenarbeit mit Politik betont. Ja, man fühlt sich als Retter der Nation und erhält dafür noch Applaus von Kommunalpolitikern, die in ihrem Alltagsgeschäft voll ausgelastet sind, sich blind auf die Aussagen des Übertragungsnetzbetreibers verlassen und gleichzeitig dem Diktat der jeweiligen Landesregierung unterstehen. Kommunale Rundbriefe weisen auf eine angeblich unumstrittene Bedarfsermittlung und die gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen hin und treiben somit einen Keil zwischen Bevölkerung und Politikern vor Ort. Als Wortführer und TenneT-Unterstützer hat sich in Bayern hauptsächlich Staatssekretär Pschierer etabliert, der über den Bedarf HGÜ-Leitungen nicht mehr diskutiert und somit alle Verhandlungsgespräche des bayerischen Energiedialoges zur Farce werden lässt.

Zitat Franz Josef Pschierer, Bayerns Wirtschafts- und Energiestaatssekretär (CSU) anlässlich der Grundsteinlegung des 50 Millionen Projektes TenneT Campus in Bayreuth: „Heute legen wir den Grundstein für ein weiteres Stück der Zukunft unserer bayerischen Energiewirtschaft.“ (Quelle BR24) Dass diese Zukunft von Stromexporten zugunsten einer zentralistisch gesteuerten Energiepolitik geprägt sein wird, inklusive Kohle- und Atomstrom der ebenfalls durch die neuen HGÜ-Leitungen transportiert wird, dass Bürgerenergiewende abgewürgt und Energiekonzerne in ihrer Macht erneut gestärkt werden, davon spricht er allerdings nicht.

Bürgerbeteiligung hat leider nichts mit Mitbestimmung zu tun. Den Bürgerinitiativen entlang des Sued- und SuedOstLinks ist dies jeden Tag bewusst. Dann nämlich, wenn Infoveranstaltungen kurzfristig abgesagt oder nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich gemacht werden. Man wird gehört, aber nicht ernst genommen. TenneT will diese HGÜ-Leitungen unter allen Umständen bauen, denn es geht für den ÜNB ums wirtschaftliche Überleben. 9,05% Eigenkapitalrendite für Netzbetreiber sind Anreiz genug eine schnelle Realisierung der HGÜ-Trassen anzustreben. Für Bürger klingt dies wie blanker Hohn, vor allem wenn man vergleichend die aktuelle Negativrendite für zehnjährige Bundesanleihen von -0,1% betrachtet.

Die Bundesnetzagentur zwischen allen Stühlen

Die Bundesnetzagentur spielt in diesem Netztheater eine äußerst fragwürdige Rolle. Mit dem kürzlich erstellten Positionspapier zum Vorrang der Erdverkabelung bei HGÜ-Trassen wollte man klare Richtlinien im Sinne eines Pflichtenheftes vorgeben und ein deutliches Signal an die Übertragungsnetzbetreiber senden: Eine Planung in die Ausnahme (sprich Freileitung) wird nicht akzeptiert werden. Dies wurde in Bürgergesprächen mehrfach zugesagt, zuletzt auch auf der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen gegen SuedLink (BBgS). Unabhängig von einer überzeugenden Bedarfsberechnung erscheint es uns äußerst fragwürdig, ob der ÜNB TenneT innerhalb weniger Wochen in der Lage sein wird einen Trassenentwurf vorzustellen, der allen Anforderungen an eine gewissenhafte Planung gerecht werden kann. Nur durch sorgfältige Prüfung und Abwägung kann eine Kostenexplosion in den Projekten SuedLink/SuedOstLink verhindert werden. Die Bürgerinitiativen sind überzeugt, dass TenneT dies in der angedachten Zeit nicht schaffen kann und erwarten von der Bundesnetzagentur geeignete Prüfschritte um spätere Kostenexplosionen zu vermeiden.

Durch die Novellierung des EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) haben sich zwischenzeitlich auch die Parameter in der Szenario-Bewertung verschoben. Daher wurde die öffentliche Konsultation zum Netzentwicklungsplan 2025 ausgesetzt. Die Bundesnetzagentur versucht sich bürgernah zu geben,  folgt jedoch bei allen Entscheidungen ausschließlich den politischen Vorgaben ohne sinnstiftende Rückmeldungen an die Politik zu geben. Durch den Bundesfachplanungsbeirat, dessen Mitglieder hauptsächlich Ministeriumsvertreter der Länder sind, wird die BNetzA zusätzlich beraten und letztendlich beeinflusst. Im Ergebnis bedeutet dies nur, dass man von dieser Bundesoberbehörde keine unabhängige Bewertung erwarten kann.

Für die interessierte Öffentlichkeit besteht nur durch weitere Teilnahme an Konsultationsverfahren die Möglichkeit Kritik am Netzausbau zu äußern und die Berücksichtigung alternativer Ansätze bzgl. regionaler/dezentraler Energiekonzepte einzufordern. Dem Zielsystem der Energiewende folgend und der Einhaltung der Klimaziele verpflichtet, ist es unser aller Aufgabe auf die richtige energiepolitische Weichenstellung zu achten. Auch die Bundesnetzagentur trägt hierbei eine große Verantwortung und muss für Transparenz sorgen. Die Gewichtung des Stromhandels muss klar benannt und die Ziele der Europäischen Gemeinschaft bezüglich eines verbindenden Stromleitungsnetzes als vorrangiger Grund eingestanden werden. Es kann nicht sein, dass unter dem Deckmantel der Energiewende das deutsche Leitungsnetz auf Kosten der Gesamtbevölkerung ausgebaut wird, während die EU gleichzeitig (trotz Brexit) den Bau englischer Atomkraftwerke subventioniert – ebenfalls mit unseren Steuergeldern und Stromgebühren.

Politik verkommt zum Erfüllungsgehilfen der Großindustrie

Die Konzeptlosigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums bezüglich der Energiepolitik zeigt sich in allen Entscheidungen der letzten Jahre. Atomausstieg: ja – nein – ja. Kohleausstieg: nein – ja – begrenzt. Ausbau/Förderung Erneuerbarer Energien: ja – begrenzt – begrenzt. Eine verlässliche Planbarkeit für Investoren und Energieversorger ist somit nicht gegeben. Innerhalb kürzester Zeit werden Entscheidungen revidiert, kostenintensive  Ausgleichsmaßnahmen und noch teurere Klageverfahren sind mittlerweile an der Tagesordnung. Ungestraft bleibt anscheinend der Bundesminister, dessen Urteile auch wirtschaftspolitisch nun wirklich nicht unfehlbar sind, wie gerade bei der richterlich gestoppten Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka ersichtlich. TTIP und CETA werden folgen! Mit einer erheblichen Selbstüberschätzung ausgestattet, versucht der Sozialdemokrat den Spagat zwischen Bürger- und Wirtschaftsinteressen zu meistern und verliert dabei aus den Augen, dass er längst zur Marionette der Industrielobby geworden ist. Seine  Glaubwürdigkeit wird berechtigterweise von vielen angezweifelt und insbesondere seine Kompetenz infrage gestellt.

Doch diese Konzeptlosigkeit führt dazu, dass sich die Fronten zwischen Bevölkerung und Politikern weiter verhärten. Politikverdrossenheit und Schlimmeres, siehe Brexit, sind die Folge. Der Kampf um Energie (und damit um Geld und Macht) hat längst begonnen, allein die Bürgerinnen und Bürger bleiben dabei auf der Strecke und natürlich auch die Energiewende.

BUND und Bürgerinitiativen gegen Sued-/SuedOstLink verbünden sich

Umweltschutzorganisationen wie der BUND sind deshalb überzeugt, dass man sich nun gemeinsam und verstärkt für die Umsetzung der Energiewende und damit dezentraler/regionaler Konzepte einsetzen muss und sucht den Schulterschluss mit den Bürgerinitiativen die sich gegen die HGÜ-Leitungen positionieren. Bei dem Strategietreffen in Nürnberg wurde deutlich, dass die Geschlossenheit der Organisationen mehr Einfluss auf politische Entscheidungen und auf Entscheidungsträger ermöglichen kann. Auf massive Kritik stößt die aktuelle Politik der GRÜNEN, einst Umweltpartei und Vorreiter der Energiewende. Während die Basis der Partei die Zustimmung zum überdimensionierten Netzausbau der Landes- und Bundesvertreter nur kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen kann, setzt sich niemand für eine qualifizierte Planung der erneuerbaren Energieversorgung mit regionalem/dezentralem Schwerpunkt ein.

Hier liegt auch der Ansatzpunkt für BUND und Bürgerinitiativen, denn Landschafts-, Natur- und Umweltschutz müssen bei allen Netzplanungen vorrangig berücksichtigt werden. Es stellt sich nicht nur die Frage nach dem Bedarf an HGÜ-Leitungen, sondern auch nach deren Ersatzleitungen im Störungs- oder Terrorfall. Wenn eine steigende Übertragungskapazität (der N-1 Richtlinie folgend) abgesichert werden soll, sind in den nächsten Jahrzehnten viele weitere Stromnetzplanungen erforderlich – sowohl im Wechselstrom- als auch im Gleichstrombereich. Allein daraus ist ersichtlich, dass das aktuelle Energiekonzept nicht tragfähig sein kann und Kosten in unüberschaubarem Maße verursachen wird.

Letztendlich steht und fällt die Energiewende mit der Weiterentwicklung der Speichertechnologien und mit Energieeffizienzmaßnahmen die konsequent umgesetzt werden müssen. Hier sind Fördergelder zukunftsorientiert einzusetzen, denn  nur dies wird zum Erfolg führen und letztendlich der Allgemeinheit zugutekommen.

Fazit des Nürnberger Strategietreffens

BUND, Aktionsbündnis SüdOst und BBgS versuchen verstärkt die tatsächlichen Hintergründe der aktuellen Energiepolitik der Bundesregierung transparent in den einzelnen Gruppierungen und Initiativen aufzuzeigen. Gleichzeitig muss auch in Richtung Politik angesichts der anstehenden Bundestagswahl in 2017 wieder verstärkt (nun gemeinsam) das Signal gesendet werden: „SO NICHT, SONDERN,…“

Wir werden den Protest gegen die HGÜ-Leitungen weiter aufrechterhalten. Die Präsenz in den Medien muss sich ebenfalls erhöhen, sei es durch Stellungnahmen oder Aktionen. Wie dies gelingen kann, bleibt dem Engagement und der Kreativität der einzelnen Mitglieder überlassen.