Der Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink vertritt Bürgerinitiativen der Bundesländer Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Übertragungsnetzbetreiber sind mit der Bedarfsermittlung, der Planung, dem Bau, dem Betrieb und auch mit der Bewertung der Stellungnahmen zum 1. Entwurf des NEP Strom 2025 betraut. Eine aus Sicht des Bundesverbandes unverantwortliche Bündelung von Kompetenzen, denen in der Vergangenheit nicht im Sinne der Bürger und Bürgerinnen Rechnung getragen wurde. Am 12.12.2014 wurde von der Fa. TenneT TSO GmbH für SuedLink der Antrag auf Bundesfachplanung gestellt und von der Bundesnetzagentur zu Recht abgelehnt. Der Bürgerdialog mit dem ÜNB war gescheitert und es kann nicht erwartet werden, dass wir dessen künftigen Entscheidungen vertrauen, da Herr Hartman bereits den Wunsch nach weiterer Einschränkung der Bürgerbeteiligung bei Planungsverfahren bekundet hat. Daher richten wir unsere Stellungnahme direkt an die BNetzA.
Allgemein
Am 14.10.2015 fand in Berlin die Öffentliche Anhörung bzgl. des aktuellen Gesetzentwurfes der Bundesregierung zur Änderung des Energieleitungsausbaugesetzes statt. Der Gesetzentwurf ist zwischenzeitlich weder im Bundesrat noch im Bundestag abschließend behandelt worden, sodass die Planungs- und Verfahrensunterlagen zum NEP 2025 weitgehend fehlen. Weder die erweiterten Möglichkeiten zur Erdverkabelung noch die damit verbundene neue Streckenführung der SuedLink-Trasse werden ausreichend berücksichtigt. Das Konsultationsverfahren zum NEP 2025 wurde eindeutig zu früh einberufen, da es sich einzig an veralteten Richtlinien orientieren und keine aktuelle Situationsbeschreibung zur Netzentwicklung abbilden kann. Dieses Verfahren kommt letztendlich einer wissentlichen Steuerverschwendung gleich.
Marktmodellierung
Der aktuelle Entwurf zum NEP 2025 orientiert sich erneut hauptsächlich am Angebot der erzeugten Strommenge, nicht aber am Bedarf der Verbraucher. Die wachsende Einspeisung von Erneuerbaren Energien in das deutsche Stromnetz rechtfertigt die geplanten HGÜ-Trassen nicht, denn die Netzplaner haben vorrangig den europäischen Stromhandelsmarkt im Visier und wollen die Weichen stellen für eine weiterhin ungehinderte und grenzüberschreitende Einspeisung von Kohle- und auch Atomstrom. Dies bedeutet einen übermäßigen Stromnetzausbau, dessen Lasten und Kosten die Bevölkerung vor Ort tragen soll. Im Hinblick auf unterschiedliche Energiekonzepte im Europäischen Strommarkt wird dies zu einer weiteren Verzögerung der Energiewende führen. Neue Kohlekraftwerke wurden und werden in Deutschland in Betrieb genommen, sind durch starke Lobbyarbeit von Regierungsseite als Übergangstechnologie akzeptiert worden und verdrängen, begünstigt durch den CO2-Zertifikatshandel, klimaschonende Gaskraftwerke in die betriebswirtschaftliche Bedeutungslosigkeit, obwohl diese in kürzester Zeit flexibel und ausgleichend auf die Volatilität von Wind- und Solarenergie reagieren könnten. Die angestrebte Versorgungssicherheit – auch durch verlässliche, jederzeit verfügbare Reserveleistungen – könnten Gaskraftwerke problemlos gewährleisten und im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Speichertechnologien kann Erdgas durch „Windgas“ ersetzt werden.
In absehbarer Zeit ist eine massive Kostensteigerung bei der Erschließung und Förderung von fossilen Brennstoffen zu erwarten, auch wenn der Einbruch der Ölpreise dies aktuell noch nicht widerspiegelt. Die Vorkommen sind begrenzt und dementsprechend werden sich die Beschaffungskosten erhöhen. In Folge wird der Strompreis in die Höhe schnellen, die Benzinpreise und natürlich auch die Heizkosten werden steigen. Die Braunkohlereviere in Deutschland sind nahezu erschöpft, der Import von Steinkohle ist mit immensen Kosten verbunden.
Wind und Sonne sind hingegen die Garanten für eine dauerhafte Versorgung mit Energie. Strom, Wärme, Mobilität. Nur in der gesamtheitlichen Betrachtung wird deutlich, wie wichtig es bereits heute ist, die richtigen Weichen für die künftige Energiepolitik zu stellen. Die Zusammenführung und gemeinsame Betrachtung von Strom- und Gasnetz ist dabei richtungsweisend. Mit geeigneten Fördermaßnahmen sind kontinuierliche und zügige Entwicklungsfortschritte aller Speichertechnologien garantiert und auch die Solarbranche würde bedarfsgerecht einen neuen Aufschwung erleben, inklusive die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.
Transportbedarf in verschiedenen Szenarien
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung konnte laut Fr. Prof. Dr. Claudia Kemfert in einer Modellberechnung nachweisen, dass man auf die HGÜ-Trassen größtenteils verzichten könne und der Bedarf für SuedLink zum jetzigen Zeitpunkt nicht zwingend feststellbar sei. Zusätzlich könnten durch verstärkte Energieeffizienzmaßnahmen Kosten für die Stromerzeugung gesenkt und der Bedarf an Übertragungs- und Verteilnetzen verringert werden.
Wenn man des Weiteren berücksichtigt, dass bis zum Jahr 2020 alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden, ist dies gleichbedeutend mit einem Freiwerden von Transportkapazitäten und verringert ebenfalls den Netzausbaubedarf. Allein durch die Verlegung von Trassenanknüpfungspunkten konnte in der Berechnung einzelner Szenarien im ersten Entwurf NEP 2025 bereits eine erhebliche Reduzierung von Transportleitungen ermittelt werden. Dies bestätigt uns in der gleichbleibenden Forderung nach einer unabhängigen Bedarfsermittlung.
Der anhaltende Protest der Bürgerinitiativen ist mitverantwortlich für ein Umdenken bei den politisch Verantwortlichen und lässt erkennen, dass der Druck auf die Übertragungsnetzbetreiber weiter verstärkt werden muss, damit diese ihrer Verantwortung gerecht werden und den Netzausbau in Deutschland nicht allein an den eigenen wirtschaftlichen Interessen ausrichten.
Nach dem NOVA-Prinzip bedeutet dies, beim Netzausbau die optimale Minimierung anzustreben, so viele Leitungen wie nötig, aber so wenige wie möglich. Dies transparent zu dokumentieren ist die vorrangige Pflicht der Übertragungsnetzbetreiber und wird nach unserer Auffassung weiterhin konterkariert. Die Verantwortung zwischen den einzelnen Instanzen hin und her zu schieben – BNetzA, ÜNB, Gesetzgeber – bildet weder Vertrauen in die Netzplanung, noch erhöht man dadurch die Akzeptanz für angestrebte Ausbauprojekte.
Die verschiedenen Szenarien im NEP 2025 klammern eine Modellrechnung ohne SuedLink aus, doch sollte auch die Frage erlaubt sein: Wie will man sich gegen den Ausfall einer HGÜ-Leitung absichern? In politisch unruhigen Zeiten, mit erhöhter Anschlags-Gefährdung könnte eine Versorgungsleitung dieser Größenordnung schnell zum Ziel von terroristischen Gruppierungen werden. Dieses Szenario wurde erst vor wenigen Tagen auf der Krim zur traurigen Wirklichkeit. Daher die objektive Erkenntnis: Zentralistisch gesteuerte Infrastrukturmaßnahmen gefährden die Versorgungssicherheit, denn es ist unmöglich diese Übertragungskapazitäten durch Reserveleitungen abzusichern.
Stromtransport über lange Wege ist nicht zwingend erforderlich und regionale Konzepte verringern den Übertragungsnetzbedarf deutlich. Der dezentralen Energieproduktion und der Verstärkung der Verteilnetze ist eine vorrangige Bedeutung zuzumessen. Die Akzeptanz durch die Bevölkerung kann durch Wertschöpfung in der Region und Bürgerbeteiligung erhöht werden.
Eine bedarfsgerechte Energieversorgung, die überdimensionierte Eingriffe in Natur und Landschaftsbild ausschließt, ist zum Erhalt der Lebensqualität in den betroffenen, hauptsächlich ländlichen Regionen zwingend erforderlich.
Der Europäische Energieverbund
Unter den EU-Mitgliedsstaaten gibt es zurzeit keine einheitlichen Pläne bzgl. Klima- und Energiepolitik. Atomkraftwerke werden nach wie vor gebaut und auch durch die EU gefördert. Die von Deutschland angestrebte Energiewende stößt bei den EU-Partnern vielfach auf Ablehnung und ein transparentes Monitoring, wie in Deutschland bereits eingeführt, ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
Der Klimagipfel in Paris hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt und nun wird sich zeigen, ob die beteiligten Staaten bereit sind eine umweltfreundliche Energiepolitik mit dem Ziel der CO2 Reduzierung im Sinne von Erneuerbaren Energien umzusetzen. Deutschland sollte hierbei seine Vorreiterrolle weiter manifestieren und den Stromnetzausbau nicht dem Diktat von Übertragungsnetzbetreibern, Stromkonzernen und den Lobbyisten der Atom- und, Kohleindustrie unterwerfen. Es muss hier klargestellt werden, dass die Bundesnetzagentur als für den Netzausbau zuständige Bundesoberbehörde genauso in der Verantwortung wie die politischen Entscheidungsträger steht und der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung Rechnung zu tragen hat.
Der Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink kritisiert erneut die vorrangige Bedeutung der HGÜ-Trassen für den europäischen und internationalen Stromhandel.
Auch wenn ein europäischer Energieverbund als erstrebenswert erachtet wird, kann es nicht sein, dass sich die unbegrenzte Einspeisung von Kohle- und Atomstrom der Nachbarländer negativ auf die Entwicklung der deutschen Energiewende auswirkt und einer deutlichen CO2-Reduzierung in den nächsten Jahren entgegensteht. Die ehrgeizigen Ziele der 195 Staaten, die sich gerade in Paris auf einen historischen Vertrag zur Schonung des Weltklimas geeinigt haben, werden durch die weitere Akzeptanz der Kohleförderung schon jetzt konterkariert.
Die Kosten für den angestrebten Übertragungsnetzausbau werden sich in der Stromrechnung der Bürger und Bürgerinnen wiederfinden. Wir lehnen daher eine europäische Energieunion zu Lasten der deutschen Verbraucher ab, solange keine klimaschonende Energiepolitik gemeinschaftlich und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar verfolgt wird. Ein Energiewendekonzept für Europa muss in erster Linie dem Schutz der Menschen Rechnung tragen und nicht den Geldbeutel der Übertragungsnetzbetreiber und Energiekonzerne füllen.
Netzanalyse und Nachhaltigkeit der Planungen
Es besteht kein Zweifel daran, dass das Stromnetz in Deutschland bedarfsgerecht ausgebaut werden muss. In den vergangenen Jahrzehnten wurde mit den Stromnetzen auf Verteilungsund Übertragungsebene hauptsächlich Geld verdient, in Wartung, Sanierung und Verstärkung haben Netzbetreiber nicht ausreichend investiert. Wirtschaftliche Interessen wurden auf Kosten der Versorgungssicherheit zunehmend in den Vordergrund gestellt.
Im EnLAG sind Netzaus- und Neubaumaßnahmen beschrieben, die eine Beschleunigung des Übertragungsnetzausbaus sicherstellen sollen und angeblich für die künftige Energieversorgung in Deutschland als notwendig eingestuft werden. Im dafür vorgesehenen Zeitrahmen von 2009 bis 2016 wurden allerdings nur ca. 30% der geplanten Leitungen, sprich 558 km von 1.876 km, realisiert.
Die Netzbetreiber sind ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden und tragen eine Mitverantwortung bei auftretenden Netzengpässen. Dass nun die Übertragungsnetzbetreiber zusätzlich die Einführung der HGÜ-Technik und den damit verbundenen Bau von zahlreichen Gleichstromtrassen für die Integration der Erneuerbaren Energien fordern, ist nicht nachvollziehbar. Ein gigantischer Stromnetzausbau zur Vermeidung von Engpässen ist weder volkswirtschaftlich sinnvoll noch ökologisch vertretbar.
Bewertung der Bürgerbeteiligung
Bereits bei der letzten Konsultation zum NEP 2024 wurden die Einwände und Stellungnahmen der Bürger und Bürgerinnen nicht gebührend berücksichtigt. Auf Nachfrage bestätigte die Bundesnetzagentur zwar den Eingang von ca. 40.000 Stellungnahmen, welche Bewertung diese Einwände letztendlich gefunden haben, ist jedoch bis zum heutigen Zeitpunkt nicht transparent kommentiert worden. Auch der gescheiterte Bürgerdialog mit den Übertragungsnetzbetreibern lässt vermuten, dass Bürgerbeteiligung im Sinne von Einflussnahme nicht erwünscht ist.
Die von SuedLink betroffenen Regionen müssen nach wie vor – auch im Hinblick auf den Vorrang einer Erdverkabelung – mit großen Eingriffen in Natur, Landschaft und Wohnumfeld rechnen, die negativen Auswirkungen der HGÜ-Trassen auf Gesundheit und Lebensqualität bleiben weiterhin bestehen.
Mit dieser Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan 2025 unterstreichen wir unsere Forderungen aus früheren Einwänden. Nach wie vor wird eine unabhängige Bedarfsplanung zu SuedLink und den weiteren HGÜ-Trassen vermisst und somit ändert sich nichts an unserer ablehnenden Haltung gegenüber den geplanten Gleichstromtrassen.
Da vom Gesetzgeber eine Beteiligung der Öffentlichkeit nur im Sinne der Meinungsäußerung nicht aber im Sinne der Mitbestimmung gewünscht ist, verweisen wir auf die Bedeutung der Aarhus-Konvention im Zusammenhang mit dem Bau der HGÜ-Trassen. Das völkerrechtliche UN-Abkommen soll die demokratische und verbindliche Mitwirkung der Bevölkerung bei Eingriffen in die Umwelt gewährleisten (dies ist beim Netzausbau in erheblichem Maße der Fall) und regelt Umweltrecht. Die Aarhus-Konvention schreibt verbindliche Bürgerbeteiligung vor und ermöglicht Bürgern rechtliche Schritte bei geplanten Umweltvorhaben einzuleiten noch bevor Entscheidungen gefallen sind (Aarhus Art. 6.4 und 9.2). Sie wurde im Jahr 2001 von der EU für ihre Mitgliedstaaten unterzeichnet und ratifiziert, im Jahr 2007 wurde sie von Sigmar Gabriel für Deutschland unterzeichnet.
Im ersten Schritt der Netzausbauplanung, der Strategischen Umweltprüfung, ist jedoch keine verbindliche Beteiligungsmöglichkeit der Öffentlichkeit vorgesehen ist und da eine Klage der betroffenen Bürger vor Gericht nur im abschließenden Planfeststellungsverfahren zugelassen wird, verstößt hier nationales Recht gegen UN-Recht. Wir möchten noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass der vorgelegte 1. Entwurf zum NEP 2025 aufgrund der zwischenzeitlich getroffenen politischen Entscheidungen auf veralteten Annahmen beruht und daher der Überarbeitung bedarf.
Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt des Netzplanungsverfahrens die Bewertung der Stellungnahmen im Zuständigkeitsbereich der Übertragungsnetzbetreiber liegt, werden wir zeitnah das Gespräch mit der Bundesnetzagentur suchen, um unsere Bedenken gegen den 1. Entwurf des NEP 2025 auch an behördlicher Stelle persönlich zu erläutern und erweiternd auszuführen.
Wir haben unsere Stellungnahme bewusst nicht direkt an die Übertragungsnetzbetreiber gerichtet und wollen damit zum Ausdruck bringen, dass wir aus den Erfahrungen des gescheiterten Bürgerdialoges Konsequenzen gezogen haben. Unser Ansprechpartner bleibt die Bundesnetzagentur, als zuständige Oberbehörde. Wenn, wie immer wieder beteuert, die Meinung der Öffentlichkeit bei Planungen zum Netzausbau gefragt wird, dann möchten wir auch transparent nachvollziehen können, inwieweit unsere Einwände bei den Entscheidungen berücksichtigt werden.
Lippenbekenntnisse zu Wahlkampfzeiten bringen uns nicht weiter, wir brauchen verbindliche Aussagen zu einer menschen- und umweltfreundlichen Netzpolitik. Die Bundesnetzagentur steht hierbei zusätzlich in der Verantwortung und kann durch den Bundesfachplanungsbeirat auch an politischer Stelle Einfluss nehmen.