Am 05.03.2021 endete die Konsultation zum ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans 2035 (2021). Auch der BBgS hat sich mit einer Stellungnahme beteiligt. Neben deutlicher Kritik an den überzogenen Netzplanungen der Übertragungsnetzbetreiber stellt sich dabei vor allem die Frage: Wie will man die Energie-Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten, wenn man sich gerade in Zeiten einer deutschlandweiten Dunkelflaute künftig auf Stromimporte verlassen will? Lange Zeit als Strom-Export-Weltmeister bewundert, verspielt Deutschland zunehmend die Chance auch Energiewende-Weltmeister zu werden. Im Gegenteil, denn zehn Jahre nach Fukushima kämpft eine erstarkende Atomlobby unter Vorspiegelung falscher Tatsachen um eine Schlüsselrolle in der europäischen Energiepolitik. Die Bundesregierung unterstützt anscheinend diesen Kurs – wider besseren Wissens!
Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan 2035 (2021), 1. Entwurf der ÜNB
Vorbemerkung
Am 29. Januar 2021 haben die Übertragungsnetzbetreiber den ersten Entwurf des NEP 2035 (2021) veröffentlicht und die Konsultationsfrist vom 29.01.2021 bis zum 28.02.2021 festgelegt. Eine entsprechende Informationsveranstaltung sollte am 12.02.2021 online stattfinden, musste aber aufgrund technischer Probleme abgebrochen werden. Daraufhin wurden mehrere Ersatztermine angeboten und die Konsultationsfrist um fünf Tage, bis zum 05.03.2021 verlängert. Den Teilnehmern wurden verschiedene Themenfelder zur Diskussion angeboten. Allerdings konnte man sich nur an einer der Gesprächsrunden beteiligen.
Die Bundesnetzagentur schreibt in einer Infobroschüre zu Beteiligungsmöglichkeiten: … Zuerst stellen die ÜNB ihren Entwurf des NEP zur Diskussion. Dafür sind in der Regel sechs Wochen vorgesehen…
Daraus ergibt sich für uns: Die kurze Beteiligungsfrist von vier Wochen wurde von den ÜNB willkürlich gewählt. Letztendlich sah man sich nur durch die technischen Schwierigkeiten im Online-Dialog gezwungen, diese Frist zu verlängern, um einer größeren Protestwelle vorzubeugen. Eine umfangreiche Stellungnahme kann unter diesen Voraussetzungen nicht erwartet werden – ist vielleicht gar nicht gewünscht.
Die Einschränkung auf einzelne themenbezogene Diskussionsrunden verhindert den Austausch von Argumenten unter den Teilnehmenden. Weiterführende Erklärungen und wichtige Informationen gehen so verloren. Das Planungsverfahren wird zunehmend intransparent.
Gleichzeitig wird Bürgerbeteiligung auch von politischer Seite durch die Verlängerung des PlanSiG erschwert. Online-Veranstaltungen (s.o.), die den Auftrag einer umfassenden Information nicht erfüllen und keine Möglichkeit zu klärenden Gesprächen bieten, werden sich negativ auf die künftigen Netzplanungen auswirken. Denn ohne Kontrolle durch Umweltverbände und die interessierte Öffentlichkeit und ohne ausreichende Beachtung der Alternativen wird der geplante Netzausbau nicht nur zum Milliardengrab, er gefährdet auch zunehmend die Umsetzung der dezentralen (systemrelevanten) Energiewende.
Netzentwicklungsplan – Stromtransit versus Versorgungssicherheit
Die Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Netzplanungen sinkt mit zunehmender Intransparenz der Verfahren. Auch das Argument „Netzausbau für die Energiewende“ wird mit Blick auf den angestrebten verstärkten Stromtransit von Frankreich nach Polen und Tschechien ad absurdum geführt. Für jene Länder, die sich aktuell klar zur Atomenergie bekennen, sollen nun die deutschen Übertragungsnetze ausgebaut werden. Kernkraftwerke entlang der deutschen Außengrenzen (hochsubventioniert und ohne Lösung für die Atommüll-Endlagerung) können den Bau von Höchstspannungsleitungen auf Kosten der Allgemeinheit nicht rechtfertigen und konterkarieren die Energiewende.
Dies ist eine völlig überraschende Entwicklung. Bisher war der Netzausbau wesentlich durch den Ausbau der Nord-Süd-Leitungen geprägt. Durch den massiven Ausbau der Windenergie im Norden, sollten künftig die Spitzen dieser Leistungsüberschüsse quer durch Deutschland nach Bayern und weiter nach Österreich transportiert bzw. exportiert werden. Im Entwurf des Netzentwicklungsplans 2035 (2021) geht man davon aus, dass Deutschland in den nächsten Jahren vom Stromexporteur zum Stromimporteur wird. Die Stromflüsse von Norddeutschland nach Bayern nehmen massiv ab, dafür gibt es aber verstärkt Flüsse in West-Ost-Richtung (NEP Seite 85). Der SuedLink wird zunehmend irrelevant.
Die Netzkapazitäten in West-Ost-Richtung sind im Grunde bereits stark ausgebaut. Mit den bestehenden Leitungen und entsprechenden Leitungsverstärkungen sollte auch eine erhöhte Transportleistung kein Problem sein. Gleichzeitig nimmt man einen Zuwachs der Stromflüsse von der Nordseeküste (inkl. Offshore) in Richtung Ruhrgebiet an, was ebenfalls zu weiteren Leitungsplanungen führt. Dies ist ein deutliches Indiz dafür, dass der SuedLink als HGÜ-Stromhandelsleitung überflüssig ist.
Frankreich will neuerdings in erheblichem Umfang auch Wind- und Sonnenenergie ausbauen, wodurch zukünftig mit einem Stromüberschuss zu rechnen ist, der – ähnlich wie in Deutschland zur Zeit der ungehinderten Atom- und Kohlestromproduktion – zu Handelszwecken dient. 70% der französischen Stromerzeugung wird nach wie vor durch Kernkraftwerke abgedeckt, die auch weiterhin am Netz bleiben. Die absurde Situation, dass nun das deutsche Übertragungsnetz dem französischen Stromtransit dienen soll, bei steigenden Strompreisen bzw. Netzentgelten in Deutschland, zeigt einmal mehr, wie verfehlt diese von der Bundesregierung akzeptierte Netzplanung ist.
Die Annahmen im Netzentwicklungsplan 2035 (2021) geben auch in anderer Hinsicht Grund zur Sorge. Die Versorgungssicherheit im Falle einer deutschlandweiten Dunkelflaute soll durch Stromimporte aus dem Ausland gewährleistet werden. Dies ist hochgradig spekulativ und vor allem unrealistisch, da Frankreich seit Jahren in der kalten Jahreszeit selbst regelmäßig mit Versorgungsproblemen zu kämpfen hat.
Energie-Entwicklungsplan für die Energiewende
Der Entwurf des Netzentwicklungsplans 2035 (2021) ist auf Grundlage eines Szenariorahmens erstellt, der zwar von der Bundesnetzagentur genehmigt wurde, aber in keiner Weise die notwendigen Maßnahmen abbildet, die zum Erreichen der verbindlichen Klimaziele notwendig wären. Der Netzentwicklungsplan Strom ist nicht mehr zeitgemäß, denn nur die gemeinsame Betrachtung von Stromnetzen, Gasnetzen und Wärmenetzen ist die Grundlage einer seriösen und zukunftsorientierten Planung und Energiepolitik. Auch Netzkosten könnten so voraussichtlich im zweistelligen Milliardenbereich eingespart werden.
Zitat ÜNB: „…Der NEP lebt von Perspektiven, dem Wissen und den Vorschlägen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik…“
Die Netzplanung richtet sich nach den Interessen der energieintensiven Industrie, Energiekonzerne erweitern ihr Geschäftsmodell, Atomlobbyisten fühlen sich im Aufwind, der europäische Stromhandel wird zum Maß der Dinge, die Politik schafft entsprechende Gesetze. Lukratives „Business as usual“ für die Übertragungsnetzbetreiber. Das gilt es zu ändern.
Ob Szenariorahmen oder Netzentwicklungsplan, wir haben bereits in vielen Stellungnahmen aufgezeigt, wie die Perspektiven zu einem Netzentwicklungsplan Strom aussehen könnten. In erster Linie muss Energie bezahlbar bleiben. Daher fordern wir u.a. eine Kosten-Nutzen-Analyse für den Netzentwicklungsplan und eine Überprüfung der Berechnungsgrundlagen für die EEG-Umlage.
Im Fokus bleibt der Ausbau regionaler und dezentraler Erzeugungs- und Verbrauchsstrukturen auf Basis der erneuerbaren Energien. Dies führt langfristig zu mehr Wachstum, Wettbewerb und Versorgungssicherheit.
Ein bedarfsgerechter Netzentwicklungsplan liegt immer im Interesse der Öffentlichkeit, denn wird ein Projekt im Bundesbedarfsplangesetz verankert, ist eine spätere Korrektur äußerst schwierig. Dessen sind wir uns durchaus bewusst. Dass Bürgerbeteiligung konsequent erschwert wird und Umweltbelange in den Hintergrund treten, hat leider bereits System. Einmischung von „unten“ wird als störend empfunden.
Wir lehnen den ersten Entwurf des NEP 2035 (2021) ab, da Annahmen nach veralteten Planungsprämissen getroffen werden, obwohl sich der Energiemarkt zunehmend im Wandel befindet. Sektorenkopplung, Wasserstoff, Brennstoffzellen, Elektrolyseure, standortgerechte Reservekraftwerke, Stärkung der Verteilnetzstrukturen, Synergien nutzen – Schlagworte einer neuen Energiepolitik und Technologieoffenheit mit dem Ziel, Energiewende im zellularen Ansatz vor Ort umzusetzen und gleichzeitig die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten.
Für den Vorstand des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen gegen SuedLink zeichnen
Maria Quanz (HE)
Siegfried Lemke (NI)
Richard Bethmann (BY)