Aufgrund der zunehmend dramatischen Lage beim Ausbau des Übertragungsnetzes fand Ende Februar ein Gespräch zwischen Vertretern der Bürgerinitiativen aus dem Aktionsbündnis Trassengegner und dem Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, statt. Durch die Verlängerung der EU-Notfallverordnung werden Verfahren weiterhin beschleunigt, indem Planungsschritte entfallen und die Beteiligung der Öffentlichkeit eingeschränkt wird. Umweltschutz spielt inzwischen eine untergeordnete Rolle und die Kosten laufen aus dem Ruder. Kippt nun auch die Erdverkabelung bei Höchstspannungsleitungen? Der Präsident der BNetzA hofft diesbezüglich auf schnelle politische Entscheidungen.
Unsere Einschätzung zum Gespräch:
Die Übertragungsnetzbetreiber TenneT, 50Hertz und TransnetBW werben seit Wochen massiv für die Abschaffung der Erdverkabelung – ohne Rücksicht auf die Verbindlichkeit des gesetzlichen Rahmens, der seit 2015 gilt. Es ist zu befürchten, dass der Einfluss der ÜNB – wie in der Vergangenheit bereits geschehen – bis in den parlamentarischen Bereich vordringt. Vielfach außer Acht gerät, dass Freileitungen ebenso umweltschädlich sind, wie Erdkabel. Wald muss im Trassenbereich abgeholzt werden (Beispiel Thüringer Strombrücke), es kommt zu Bodenverdichtung und Flächenverbrauch durch Baustraßen und Mastbau, Mindestabstände zur Bebauung werden nicht zwingend eingehalten. Somit wird auch die Gesundheitsgefährdung durch Höchstspannungsleitungen wieder verstärkt zum Thema.
Fakt bleibt, dass durch viele Gesetzesänderungen eine Netz-Ausbaubeschleunigung erreicht werden soll, aber das eigentliche Ziel, die schnelle Umsetzung der Energiewende, wird verfehlt. Doch die Bundesnetzagentur setzt mittels lukrativer Eigenkapitalrenditen (inzwischen erhöht auf knapp 7%) starke finanzielle Anreize für Investitionen in den Netzausbau. Der tatsächliche Bedarf tritt in den Hintergrund. Seit der Genehmigung des Szenariorahmens 2037 werden Übertragungsnetzbetreiber nicht mehr zur Anwendung einer Spitzenkappung in Höhe von 3 % der Jahresenergiemenge verpflichtet. Es ist zu befürchten, dass sie nun erneut zusätzlichen Leitungsbedarf anmelden. Bis das System kollabiert. Denn wer soll am Ende die Strompreise in Deutschland noch bezahlen können? Die Netzentgelte haben bereits einen Anteil von 27% am Strompreis und steigen weiter. Der hochverschuldete niederländische Stromnetzbetreiber TenneT will sein deutsches Stromnetz verkaufen. Das Geld für anstehende Investitionen fehlt. Es steht zu befürchten, dass die Verhandlungen mit der Bundesregierung (im Raum steht eine Summe von über 20 Milliarden Euro) scheitern werden und so der Weg für ausländische Investoren frei wird. Privatwirtschaftliche Interessen scheinen bei den Planungen immer häufiger im Vordergrund zu stehen.
Nach Abschaltung der Atomkraftwerke ist die Versorgungssicherheit in Bayern und in ganz Deutschland nach wie vor gegeben. Herr Müller führt dies auf die hohen systemischen Kosten – sprich Redispatchkosten – zurück und begründet dadurch den geplanten Netzausbau. Vier Milliarden Euro Redispatch im Jahr, stehen über 320 Milliarden Euro Investitionskosten für Netzausbau bis 2045 gegenüber. Dass hier die Transitleistung für Europa mitbezahlt wird, bleibt unberücksichtigt. Nachdem der europäische Binnenmarkt in den nächsten Jahrzehnten weiterhin von Atom- und Kohlekraft dominiert werden wird, ist der Begriff Klimaneutralitätsnetz irreführend.
Diese gigantischen Übertragungsleitungen vor terroristischen Angriffen auch im Cyberbereich zu schützen, wird zur größten Herausforderung. Denn Theorie und Praxis liegen bei Sicherheitsfragen weit auseinander (siehe Nord-Stream 2) Vor allem wenn man bedenkt, dass alle Trassen im Notfall (Ausfallszenarien) durch ein weiteres System (Redundanzleitung) abgesichert werden sollen. Ein zentralistisches Stromnetz-System, wie es nun in Deutschland aufgebaut wird, ist in jedem Fall anfälliger für Kaskadeneffekte sprich Blackouts.
Die Beschleunigungsgesetze der letzten Jahre tragen dazu bei, dass der Netzausbau ohne relevante Umweltprüfungen und Öffentlichkeitsbeteiligung vorangetrieben wird. Wo immer vorzeitiger Maßnahmenbeginn genehmigt werden kann, tut dies die BNetzA. Dass Herr Müller das Gespräch mit den BI-Vertretern hier beschleunigt beendet, ohne Fragen zu diesem Thema konkret zu beantworten, passt da auch ins Bild.