Stellungnahme des BBgS zum
Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus
BT-Drs. 19/7375 vom 28.01.2019
Um den Energieleitungsausbau zu beschleunigen, wird derzeit ein entsprechender Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht, die Mitglieder des Deutschen Bundestages werden darüber abstimmen und somit entscheidenden Einfluss darauf nehmen, ob Bürgerrechte in Zukunft mit Füßen getreten werden.
Am 20.02.2019 wurden Sachverständige zur Novellierung des NABEG gehört und auch der Deutsche Bundesrat hat zwischenzeitlich seine Stellungnahme abgegeben. Nach Einsicht der einzelnen Bewertungen möchten wir es im Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink (BBgS) nicht versäumen, aufs Schärfste gegen diese „Beschleunigung der Netzausbaubeschleunigung“ zu protestieren.
Der vorliegende Gesetzentwurf muss abgelehnt werden!
Es steht außer Frage, dass ein leistungsfähiges Stromnetz die Grundlage einer sicheren Stromversorgung in Deutschland darstellt. In Zeiten von Energiewende und Klimaschutz wird aber immer deutlicher, dass nur durch die Sektorenkopplung Strom-Gas-Wärme-Mobilität die angestrebten Klimaziele erreicht werden können. Dies hat massive Auswirkungen auf die Stromnetzplanung der Zukunft, denn die schnelle Integration der Erneuerbaren Energien kann nur durch eine gesamtheitliche Energienetzplanung gelingen. Dazu gehören u.a. auch die Einbeziehung der vorhandenen Gasinfrastruktur für Power-to-X-Speichertechnologien, die Umsetzung regionaler und dezentraler Energiekonzepte im Sinne des zellularen Ansatzes, sowie mehr Flexibilitätsoptionen für Verteilnetzbetreiber.
Die anstehende Novellierung des NABEG stärkt jedoch vor allem die Befugnisse und Entscheidungsfreiheit der Übertragungsnetzbetreiber. Wenn künftig, Zitat: „das Interesse des Betreibers an einer beschleunigten Errichtung und Inbetriebnahme des Vorhabens“ (Stellungnahme IUP, Universität Münster), ausreichend für Netzaus- und Neubaumaßnahmen ist, werden alle regionalen Bestrebungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende konterkariert. Mit vorerst geschätzten 52 Milliarden Euro für den geplanten Netzausbau laufen wir Gefahr, dass am Ende auch die finanziellen Mittel zur tatsächlichen Umsetzung der Energiewende fehlen werden. Die HGÜ-Leitungen bleiben weiterhin umstritten, da sie vorrangig dem Stromhandel dienen. Durch diese EU geförderten Stromautobahnen werden nationale Interessen zunehmend ignoriert, Atom- und Kohlestrom im Netz gehalten – auch wenn er künftig nicht mehr aus Deutschland kommen sollte.
Wenn sich Bundestagsabgeordnete daran erinnern, wer ihnen den Weg nach Berlin geebnet hat, sollten sie sich vor der abschließenden Entscheidung zu diesem bürgerfeindlichen Gesetzentwurf darauf besinnen, dass sie den politischen Auftrag haben, im Interesse ihrer jeweiligen Wahlkreisbevölkerung zu handeln, im Sinne von Umwelt- und Klimaschutz.
Dies bedeutet EIN KLARES NEIN zu:
- Freibrief für Übertragungsnetzbetreiber, deren Befugnisse und Rechte weiter ausgebaut werden
- Planungs- und Genehmigungsverfahren können bereits vor Bedarfsfeststellung und Aufnahme in das Bundesbedarfsplangesetz begonnen werden.
- Risiko irreversibler Schäden in Natur und Landschaft (z.B. vorzeitige Waldrodungen)
- Baubeginn vor Abschluss der Genehmigungsverfahren / Planfeststellungsbeschluss
- Einschränkung der Verwaltungskompetenz der Länder, Städte und Gemeinden durch den Bund
- Keine Kontrolle mehr durch frühzeitige Informationspflicht und Bürgerbeteiligung
- Umweltschutz verliert an Stellenwert
- Einschränkung der Einspruchs- und Klagemöglichkeiten gegen Planungsverfahren
- Abschaffung der Bundesfachplanung bei Hochrüstungen
- Strategische Umweltprüfung ist in vielen Fällen nicht mehr erforderlich
- Weitergehende Abschaltbefugnisse für die Übertragungsnetzbetreiber zu Lasten der Verteilnetzbetreiber
- Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und Aarhus-Konvention werden missachtet
- Rechtsverbindliches Völkerrecht wird ignoriert
Wenn Politik versagt, ist Protest vorprogrammiert. Nicht umsonst gehen tausende Schüler weltweit auf die Straße und nicht umsonst streben Umweltorganisationen eine Verfassungsklage wegen unzureichender deutscher Klimapolitik an. Wenn Stellungnahmen von Sachverständigen und Energieexperten ebenso wie Einwendungen der Öffentlichkeit kontinuierlich ignoriert werden, verliert der Wähler zunehmend das Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeit der politisch Verantwortlichen. Das Streben nach Großkonzernen, Großbanken, mächtigen Netzbetreibern und Energieversorgern beflügelt zwar Börsenkurse, aber:
Je höher, umso weiter? … Der Absturz ist vorprogrammiert!