Hamelner Bündnis ignoriert EU-Rechtswidrigkeit

SuedLink ist in vielen Abschnitten bereits im Planfeststellungsverfahren, die Konsultationen gehen in die letzte Runde. Seit das Projekt konkreter wird, häufen sich die Probleme und Ungereimtheiten in der Planung und führen zunehmend zu Verunsicherung und verstärkter Ablehnung in den betroffenen Landkreisen und Gemeinden.  Der Leitungshunger der Übertragungsnetzbetreiber ist noch lange nicht gestillt und so werden mit jedem Netzentwicklungsplan neue Trassen etabliert.  Dabei wird EU-Recht wissentlich missachtet, denn vorgeschriebene Kosten-Nutzen-Analysen fehlen. Vor diesem Hintergrund wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die netztechnische Notwendigkeit von SuedLink und P43 transparent zu prüfen und die Einhaltung von EU-Rechtsvorschriften abzuklären.  Das „Bündnis der Hamelner Erklärung e.V.“ interveniert und versucht seinen politischen Einfluss geltend zu machen. Hier ist unsere Antwort.

>> Kurzversion, wie sie an  Gemeinden und Landkreise verschickt wurde <<

…und erklärende Ergänzungen:

Wir sind angetreten, um einer Stromnetzplanung in Deutschland entgegenzuwirken, die sich zunehmend am Stromhandel orientiert, aber die Versorgungssicherheit mit bezahlbarer Energie und die Umsetzung der Energiewende gefährdet. Seit nunmehr sieben Jahren vertreten wir gemeinsam mit Aktionsbündnissen in ganz Deutschland die Interessen vieler Bürgerinitiativen entlang der geplanten HGÜ-Leitungen SuedLink, Südostlink und Ultranet, der Juraleitung und weiterer 380 kV Wechselstromleitungen.

Als BBgS haben wir das Gutachten zu SuedLink und P43 beworben, da wir eine unabhängige Einschätzung der netztechnischen Notwendigkeit dieser Höchstspannungsleitungen als dringend erforderlich sehen. Der BUND als namhafte Umweltorganisation und die N-ERGIE als großes Energieversorgungsunternehmen in Bayern unterstützen unser Anliegen genauso, wie uns Rechtsanwalt Baumann aus Würzburg in rechtlichen Fragen berät.

Zitat Wolfgang Baumann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht:

„…Das Bundes-Bedarfsplangesetz ist in seinen jeweiligen Fassungen europarechtswidrig, weil entgegen der Verpflichtungen aus drei EU-Verordnungen keine Kosten-Nutzen-Analyse vorgenommen worden ist. EU-Rechtswidrigkeit führt allein zur Unwirksamkeit und Nichtanwendbarkeit des Bundes-Bedarfsplangesetzes…“

Wenn in Deutschland der Übertragungsnetzausbau aufgrund des angestrebten verstärkten Stromtransits zwischen den europäischen Nachbarstaaten begründet wird, muss auch die Planung europarechtskonform sein. Dies gilt in erster Linie für PCIs, den „projects of common interest“: SuedLink, Südostlink und Ultranet. Aber auch für jene Leitungen, die zur (n-1) Absicherung dieser Stromautobahnen gebaut werden. Es ist nicht verwunderlich, wenn sich betroffene Gemeinden und Landkreise wie z.B. Wunsiedel in Bayern zu einer Klage beim EuGH entschließen.

Aus unserer Sicht ist die vom „Hamelner Bündnis“ beauftragte Stellungnahme von Dr. Durinke und Dr. Runge nicht nur oberflächlich sondern auch falsch begründet, da man sich inhaltlich nur auf das deutsche Bundesrecht bezieht – obwohl auch wir hier zusätzlich Verstöße gegen das EnWG annehmen. Die Argumentation der Herren greift zu kurz wenn Europarecht nicht geprüft wird obwohl dies zum Standard der rechtsanwaltlichen Tätigkeit gehören sollte. Wir beurteilen dies als unverständliche Nachlässigkeit.

Zitat aus der Stellungnahme Dr. Peter Durinke /Prof. Dr. Karsten Runge

„…Selbst wenn die Bundesnetzagentur sich im Laufe des Verfahrens der Position anschließen würde, dass die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Vorhabens nicht besteht, könnte sie sich beim Planfeststellungsbeschluss über die gesetzliche Entscheidung nicht hinwegsetzen. Soweit die übrigen Voraussetzungen für den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vorliegen, müsste sie diesen also erlassen….“

Die Fulda-Main-Leitung (P43) ist noch nicht im offiziellen Bundefachplanungsverfahren. Das Gutachten Jarass/Siebels identifiziert durch methodische Untersuchung und anhand der Zahlen im Netzentwicklungsplan Fehler in der Netzplanung und trägt zur Versachlichung des Themas bei. Dazu gehört die Erkenntnis, dass man Bedarfsermittlung, Planung, Bau und Betrieb nicht einzig in die Hand der Übertragungsnetzbetreiber legen sollte, die nach eigener Aussage zusätzlich auch in beratender Funktion für die politischen Entscheidungsträger agieren. Wir unterstellen den ÜNB dabei die eigenen wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund zu stellen. Das „Bündnis der Hamelner Erklärung e.V.“ muss im Sinne seiner Mitglieder erkennen, dass Prüfmechanismen zwingend erforderlich sind. Kein Gesetz ist in Stein gemeißelt, auch nicht das Bundesbedarfsplangesetz. Die aktuelle Vorgehensweise steht auch im Widerspruch zur Resolution des Landkreises Bad Kissingen. Während einerseits Protestaktionen gegen die P43 unterstützt werden, lehnt man andererseits ein Gutachten ab, das den wissenschaftlichen Hintergrund zu den erhobenen Forderungen liefert.

Pandemiebedingt müssen wir seit Monaten laufend die Änderung von Gesetzen akzeptieren, obwohl es dabei oft um massive Einschränkungen der Öffentlichkeitsbeteiligung geht. Beschleunigte Planungsverfahren die nur über Online-Konsultationen kommentiert werden können, schränken nicht nur die Rechte von betroffenen Bürger*innen sondern auch die der Kommunen ein. Herr Dr. Durinke war bereits an der Ausarbeitung des NABEG maßgeblich beteiligt, das u. a. frühzeitig festgelegte Veränderungssperren ermöglicht. Dadurch nimmt man den Gemeinden über viele Jahre hinweg Handlungsspielraum für die Regionalentwicklung.

Wer interkommunale Zusammenarbeit fördern möchte, kann Belastungen durch unnötige Infrastrukturmaßnahmen nicht einfach in die Nachbargemeinde verschieben. Wir sind gegen das „St. Floriansprinzip“ und sehen die Argumentation des „Bündnisses der Hamelner Erklärung e.V.“ zunehmend als gesellschaftsspaltende Bauernfängerei. Selbstverständlich begleiten wir Bürgerinitiativen gemeinsam mit den Kommunen die Planungsverfahren, aber konstruktive Kritik beginnt für uns bereits „bevor die Bagger rollen“. Und gerade weil wir den Planungsprozess von Anfang an aufmerksam begleiten, stoßen wir zunehmend auf Ungereimtheiten. Diese gilt es öffentlich zu kommunizieren.

Zitat Dipl. Ing. Guntram Ziepel, 1. Vorsitzender der BI Fuldatal e.V.

„…Darum ist es wichtig, von einer unabhängigen Seite im Rahmen eines interdisziplinären Vorgehens die Planungen zu unterstützen. Dies ist mit den im Gutachten vorgelegten Daten und Fakten nun möglich. Wir hoffen deshalb, dass dieses Gutachten sowohl vom Ministerium als auch von der Bundesnetzagentur zur Kenntnis genommen wird und das weitere Handeln im Thema des Netzausbaus und der Energiewende somit angepasst wird…“

Wir erwarten, dass man die fachliche Expertise von Prof. Jarass ernst nimmt und leiten daraus Handlungsempfehlungen gleichermaßen für BNetzA und Politik ab. Die Aussage, den Bundestag überzeugen zu müssen, ist mit Verlaub zu kurz gegriffen, wenn es um technische Fragen für die künftige Energieversorgung Deutschlands geht. Von Lobbyismus der alten Marktteilnehmer gekennzeichnet, verliert die Energiepolitik der aktuellen Regierung zunehmend das Ziel der Energiewende aus den Augen. So war auch die Entscheidung für die P43 rein politisch motiviert. Netztechnische Fakten, wie z.B. die Versorgungsknappheit im Ballungsraum Frankfurt wurden schlichtweg ausgeblendet.

Natürlich haben wir auch den ersten Entwurf zum Netzentwicklungsplan 2035 (2021) konsultiert. Wir beteiligen uns in allen Planungsphasen mit konstruktivem Input. Doch wenn Entscheidungen zu Leitungsvorhaben – wie in dem Schreiben des Hamelner Bündnisses ausführlich geschildert – bereits im Vorfeld auf politischer Ebene getroffen werden, mutiert Öffentlichkeitsbeteiligung zu Beschäftigungstherapie.

Zitat Dr. Werner Neumann, BUND

„…Es kann nicht sein, dass die Schäden an Umwelt, Natur und Gesundheit der Menschen auf die Betroffenen umgelegt werden und nicht in der Umweltprüfung einbezogen werden und von der Allgemeinheit und Betroffenen vor Ort getragen werden müssen. Die Untersuchung auf Umweltauswirkungen nach dem UVP-Gesetz und aller einschlägiger Gesetze ist daher mit einer Bewertung des damit verursachten Schadens an Umwelt und Natur zu verbinden….“

Jede Stromleitung, die nicht gebaut werden muss, ist ein Gewinn für den Umwelt- und Naturschutz. Herr Dr. Runge weiß genau, wie wichtig Umweltverträglichkeitsprüfungen sind und welche negativen Auswirkungen gerade der Bau von Höchstspannungsleitungen auf die regionale Flora und Fauna hat. Die langjährigen Vernetzungen zu Netzausbauprofiteuren (TenneT, 50 Hertz, ABB,…) und Energiekonzernen (E.ON, Vattenfall, RWE,…) die vorrangig nicht an Energiewende interessiert sind, wirft Fragen bezüglich der Unabhängigkeit seiner gutachterlichen Tätigkeit auf. Der rasant fortschreitende Klimawandel verpflichtet uns zu größter Sorgfalt beim Umgang mit natürlichen Ressourcen. Die umfassende Prüfung bzgl. der Notwendigkeit jedes einzelnen Infrastrukturprojektes ist unumgänglich.

Wir müssen den Energiemarkt als Ganzes begreifen um Synergieeffekte zu erkennen. Die Sektoren Strom-Gas-Wärme-Mobilität können in einem Netzentwicklungsplan Strom nicht abgebildet werden. Anstatt das Übertragungsnetz aufgrund von kurzzeitig auftretenden Stromspitzen für 100 Milliarden überdimensioniert auszubauen, sollten zuerst die Verteilnetzstrukturen gestärkt werden. Gekoppelt mit dem Bau von Elektrolyseuren an der Küste bzw. Batteriespeichern auf regionaler Ebene, müssten Windräder nicht mehr abgeregelt und der Ausbau der Solarenergie nicht mehr gedeckelt werden. Hier sind Förderprogramme sinnvoll eingesetzt. Wer den Klimawandel ernst nimmt weiß, der Umstieg auf erneuerbare Energien ist alternativlos. Viele Gemeinden sehen darin auch großes wirtschaftliches Potential für die Region, denn dezentrale Erzeugungs- und Verbrauchsstrukturen sind der Schlüssel zum Erfolg. Die Regierung ist verpflichtet endlich den Rechtsrahmen entsprechend anzupassen. Die Energiewende darf nicht für eine falsche Netzpolitik verantwortlich gemacht werden. Vielmehr liegt der Ball im Feld derjenigen, die mit lukrativen und teils riskanten Stromhandelsgeschäften Netzschwankungen und somit die Gefahr eines Blackouts billigend in Kauf nehmen.

Dass sich das „Bündnis der Hamelner Erklärung e.V.“ gegen eine Unterstützung des Gutachtens zu SuedLink und P43 entschieden hat bestätigt uns in der Erkenntnis, dass wir unser Engagement weiter fortsetzen müssen, damit sich Politik endlich bewegt. Die Zeiten, in denen man einfach über die Köpfe der Bürger*innen hinweg und ohne Gegenwind planen und bauen konnte, sind endgültig vorbei.