Stellungnahme zur Fragebogenaktion des UBA
Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen gegen SuedLink (BBgS) wurde über das Umweltbundesamt (UBA) aufgefordert, anhand eines Fragebogens Stellung zu einem Forschungsprojekt zu beziehen, das auf wissenschaftlicher Basis das gestufte Planungs- und Genehmigungsverfahren der Übertragungsnetze (Evaluierung das gestuften Planungs- und Genehmigungsverfahrens Stromnetzausbau) beurteilen und bewerten soll. Durch diese Studie, die im Rahmen des Umweltforschungsplans vom Bundesumweltministerium finanziert wird, sollen im Ergebnis Verbesserungsvorschläge für die Politik abgeleitet werden.
Aus Sicht des BBgS eine höchst umstrittene Intention, da je nach Sichtweise eine vollkommen konträre Interpretation der Ergebnisse erfolgen kann und somit hier eine weitere Studie als Beweis für die Notwendigkeit eines beschleunigten Übertragungsnetzausbaus missbraucht werden könnte.
Da die Arbeit des Forschungsteams durch Experten der Bundesnetzagentur und Übertragungsnetzbetreiber beratend begleitet wird, muss transparent aufgezeigt werden, welche Interessenvertreter – auch die des Umweltschutzes – hier meinungsbildend miteingebunden werden. Der BBgS verzichtet daher auf Anonymität und veröffentlicht hiermit seine Stellungnahmen:
⇒ Stellungnahme des BBgS an das Umweltbundesamt
⇒ Stellungnahme des BBgS an das Planungsbüro Hitschfeld
Erläuterungen des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen gegen SuedLink zu den Auswirkungen der angeführten Beschleunigungselemente
Stufe 1: Bedarfsplanung
Die Prüfungskompetenz der Bundesnetzagentur sollte weiter gestärkt werden indem alle Daten, die einer Bedarfsermittlung zugrunde liegen, von den Übertragungsnetzbetreibern verpflichtend offengelegt werden. Um tatsächlich eine neutrale und unabhängige Bewertung des Stromnetzbedarfs zu gewährleisten, müssen Bedarfsfeststellung, Planung, Bau und Betrieb voneinander abgekoppelt werden. Durch eine lukrative (aus unserer Sicht nicht zeitgemäße) Eigenkapitalrendite abgedeckt, könnte ansonsten bereits bei geringer und zeitlich begrenzter Netzüberlastung der Ausbau von Stromleitungen gefordert werden. Der Netzausbau darf nicht zum „Selbstbedienungsladen“ der Übertragungsnetzbetreiber werden.
Eine verantwortungsvolle Netzplanung beinhaltet Ehrlichkeit in der Kommunikation. Dass sich die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung auch auf den Energie-Austausch mit anderen Ländern beziehen, wird der Öffentlichkeit nicht vermittelt. Deutschland hat im Jahr 2015 einen Außenhandelsbilanzüberschuss von 2,07 Mrd. Euro beim Stromexport erzielt. Energiewende? Hier geht es allein um Macht und Geld. Die Öffentlichkeitsbeteiligung darf sich daher nicht auf ein alleiniges Anhörungsrecht beim Netzausbau beschränken, sondern ist als zusätzlicher Kontrollmechanismus zu verstehen, der gegebenenfalls auch zu Änderungen der politischen Entscheidungen führen kann.
Bei der Erstellung von Szenariorahmen und Netzentwicklungsplan müssten auch regionale und dezentrale Erzeugungs- und Verbrauchsstrukturen verstärkt berücksichtigt werden, denn dies ist für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende zwingend nötig. Um jedoch intelligente Verteilstrukturen aufzubauen, die Integration der Speichertechnologien voranzutreiben und verbraucherfreundliche Marktsysteme zu erstellen und zu nutzen, bedarf es eines Zielsystems und eines von Lobbyismus und Eigeninteressen abgekoppelten Prozess- und Planungsmanagements.
Beschleunigungselemente für den Netzausbau, wie z.B. „Keine Rechtsschutzmöglichkeiten auf Ebene der Bedarfsfestlegung“ schaden dem Umweltschutz, hebeln Bürgerbeteiligung aus, verstoßen gegen die UN Aarhus-Konvention (Aarhus Art. 6.4 und 9.2) und führen zwangsläufig zu weniger Akzeptanz, letztendlich auch bei tatsächlich notwendigen Ausbaumaßnahmen.
Daher gilt es zu Beginn der Bedarfsplanung nicht nur Alternativen innerhalb des Netzausbaus (Erdkabeltechnik, NOVA-Prinzip,…) sondern Alternativen prinzipiell zu beleuchten, die da wären: Energieeinsparung, dezentrale und flexible Kraft-Wärme-Kopplung und die Verbindung von Strom- und Gasnetzen. Power-to-X-Konzepte könnten einerseits die erforderlichen Speichermöglichkeiten bieten und dadurch zu einer höheren Versorgungssicherheit beitragen. Sie sind inzwischen marktreif und auch vom Wirkungsgrad her interessant. Ihre flächendeckende Integration könnte bereits heute die Abschaltung von Erzeugungsanlagen erneuerbare Energien verhindern und zur Stabilisierung des bestehenden Stromnetzes beitragen. Dies wäre sinnvoller Umwelt-, Natur- und Klimaschutz.
Eine zyklische Bedarfsplanung kann erst dann beschleunigend wirken, wenn die einzelnen Planungszyklen (Szenariorahmen/NEP/BBPlG) synchronisiert und aufeinander abgestimmt sind und dabei neue Technologien zeitnah gebührend berücksichtigt werden. Dies ist zurzeit nicht der Fall.
Auf Stufe der Bedarfsplanung sollten Beschleunigungselemente weder zu Lasten einer sorgfältigen Ausarbeitung und Vorbereitung der Antragsunterlagen noch auf Kosten der Bürgerbeteiligung eingesetzt werden, da dies einerseits zu deutlichen Verzögerungen im späteren Verlauf des Verfahrens führen würde und andererseits eine unberechenbare Kostensteigerung des Projektes zu verantworten wäre. Die Verantwortung dafür will allerdings niemand übernehmen und weder Politik, Bundesnetzagentur noch Übertragungsnetzbetreiber haften für Fehlplanungen. (Die Infrastrukturprojekte der letzten Jahre lassen grüßen.)
Stufe 2: Bundesfachplanung
Wenn alle in Stufe 1 angesprochenen Punkte gebührend berücksichtigt worden sind und tatsächlich der Bedarf an Netzausbau für die Versorgungssicherheit nachgewiesen wurde, sollte man dem Umweltschutz auch innerhalb der Bundesfachplanung einen besonderen Stellenwert zuordnen, denn immerhin geht es um unseren natürlichen Lebensraum, um Gesundheit und Wohnumfeld, um Klimaschutz und für viele Betroffene auch um eine Gefährdung der existentiellen Sicherheit.
Eine offene Trassenplanung ist hierbei äußerst fragwürdig, hat in der Vergangenheit zu Verzögerungen, Unmut in Landkreisen und Kommunen und letztendlich zu einem ausgeprägten „St.Florians-Syndrom“ geführt. Dies war allerdings hauptsächlich der fehlerhaften ersten SuedLink 1.0-Planung und der mangelhaften Öffentlichkeitsarbeit von Übertragungsnetzbetreiber TenneT geschuldet. Vertrauen wurde langfristig verspielt.
Durch die Berücksichtigung von Hinweisen während der Öffentlichkeitsbeteiligung, eine ersichtliche Integration sinnvoller Verbesserungsvorschläge in die Planung und dem Bemühen, die Bewertung der Eingaben transparent und nachvollziehbar darzustellen, kann eine Akzeptanzsteigerung für Netzausbaumaßnahmen, die dennoch einen massiven Eingriff in die Natur bedeuten, erzielt werden.
Alle Beteiligten müssen bereit sein, sich ihrer Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit zu stellen. Dies gilt auch für die Arbeit des Bundesfachplanungsbeirates, der ja eine beratende Funktion gegenüber der Bundesnetzagentur haben sollte und als Bindeglied zu den Ländern fungiert. Bei durchschnittlich drei nichtöffentlichen Sitzungen im Jahr, ohne die Möglichkeit zumindest über die Ergebnisse informiert zu werden, ist die Arbeitsweise und Entscheidungsfindung dieses Gremiums intransparent und daher infrage zu stellen.
Wenn die Befugnisse der Bundesnetzagentur als Entscheidungsträger gestärkt werden sollen, müssen die Länderinteressen (inklusive denen der einzelnen Landkreise) gebührend berücksichtigt werden, denn nur dort sind regionale Belange, Planungen, Raumwiderstände, Überbündelungsrisiken, Strukturentwicklungen, etc. bekannt. Dieser Aufgabe muss verantwortungsvoll nachgegangen werden und ist, z.B. bei der Erstellung des „Methodenpapiers zur Erdverkabelung von HGÜ-Trassen“, im Ansatz bereits erkennbar.
Fristen, die im besten Fall zur Strukturierung des Verfahrens beitragen, können nur dann als positives Beschleunigungselement der Bundesfachplanung gelten, wenn innerhalb eines festgelegten Zeitraumes auch gewährleistet wird, dass erforderliche Unterlagen vollständig eingereicht werden können. Dies gilt für raumordnerische Beurteilungen ebenso wie für die Strategische Umweltprüfung. Ist sich der Vorhabenträger seiner Verantwortung gegenüber dem Gelingen des Projektes bewusst, sind bereits in Stufe 1 die Grundlagen für eine ressourcenschonende Planung geschaffen worden.
Vereinfachte Verfahren sind weiterhin abzulehnen. Den Rechtsschutz auf Ebene der Bundesfachplanung wiederum auszuklammern zu wollen, fördert den Missbrauch von Entscheidungskompetenzen und ist einer vorzeitigen Enteignung gleichzustellen. Abschnittsbildung im Zuge der Bundesfachplanung kann zu einer Vertiefung der genaueren Betrachtung von raumbezogenen Besonderheiten führen und weitere Antragskonferenzen eventuelle Planungshemmnisse aufdecken.
Auch in Bezug auf die Bundesfachplanung wird deutlich, dass die Netzplanung in den Verantwortungsbereich eines unabhängigen/neutralen Projektmanagements zu legen ist, um einer umfangreichen, gut strukturierten, transparenten, zeitgerechten und nachvollziehbaren Planung unter Einbeziehung eines übergeordneten Zielsystems (Energiewende, 100%ige Versorgung mit erneuerbaren Energien) gerecht zu werden. Die Benennung eines Verantwortlichen garantiert gleichzeitig die Haftung für Planungs- und Entscheidungsfehler.
Stufe 3: Planfeststellung
Je gewissenhafter die vorgelagerten Verfahrensschritte ausgeführt wurden, umso weniger Restrisiko bleibt für eine Verzögerung in der Planfeststellung. Trassenkorridore wurden frühzeitig benannt, Raumwiderstände identifiziert und berücksichtigt, ebenso Planungen und Belange der Länder. Um das Recht des Einzelnen zu schützen und Härtefälle zu vermeiden, könnten bereits im Vorfeld verhandelte Entschädigungszahlungen zu Befriedung und Akzeptanz führen.
Doch auch hier sollte darauf geachtet werden, dass Umweltschutz gebührend berücksichtigt wird. Kurzfristige Eingriffe in die Natur während der Bauphase müssen dauerhaften Beeinträchtigungen des Landschafts- und Naturschutzes gegenübergestellt werden. Wenn Erdverkabelung verantwortungsvoll ausgeführt wird, kann trotz der höheren Kosten gegenüber Freileitungen die Akzeptanz in der Bevölkerung erheblich gesteigert werden. Auch den Länderinteressen bzgl. der Regionalentwicklung (Tourismus/demographischer Wandel) wird man dadurch besser gerecht.
Bleibt abschließend festzustellen:
Das Spannungsverhältnis zwischen Verfahrensbeschleunigung und Umweltschutz wird dauerhaft bestehen bleiben, solange nicht ein neutrales Planungsmanagement die Belange aller Stakeholder in einem umfangreichen Konzept zusammenfasst, Fehleinschätzungen rechtzeitig identifiziert und durch transparente Öffentlichkeitsarbeit die Netzplanung nachvollziehbar erklären kann. Bürgerbeteiligung einzuschränken und Verfahren durch Verkürzung des Rechtsweges zu beschleunigen ist sicherlich der falsche Weg.