(14.06.2016) Der Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink (BBgS) ist nach wie vor – trotz inzwischen gesetzlich verankertem Vorrang für Erdverkabelung bei Gleichstromleitungen – bemüht, sich in die Diskussion bezüglich der geplanten HGÜ-Trassen im Interesse unserer zahlreichen Mitglieder einzubringen. Die Zusammenhänge zwischen tatsächlichem Bedarf an Netzausbau und einer erfolgreichen Umsetzung der Energiewende sind dabei nicht eindeutig geklärt und wir konnten bei vielen Veranstaltungen der letzten Wochen erkennen, dass dieses Thema auch unter Energie-Experten, ob aus Wirtschaft, Wissenschaft oder Politik kontrovers diskutiert wird.
Eine aus unserer Sicht richtungsweisende Fachkonferenz im Rahmen des hessischen Landesprogrammes „Bürgerforum Energieland Hessen“ befasste sich in der Veranstaltungsreihe „Faktencheck“ mit dem Thema „Speicher in der Energiewende“. Die positive Entwicklung von Speichertechnologien auch bezüglich des Wirkungsgrades wurde von den Referenten klar aufgezeigt und die Vielfalt der möglichen Einsatzgebiete unterstrich den großen Stellenwert von Kurz- und Langzeitspeichern für das Gelingen der Energiewende.
Trotz dieser vielversprechenden Einblicke in die unterschiedlichsten Möglichkeiten und Konzepte von Speichertechnologien wurde deutlich, dass bei der aktuellen energiepolitischen Weichenstellung deren Integration in den Energiemarkt erheblich verzögert wird und dies letztendlich das Scheitern der in Paris vereinbarten Klimaziele bedeutet.
Die Zusammenfassung der Veranstaltung ist inzwischen online und die Vorträge abrufbar unter:
http://www.energieland.hessen.de/faktencheck_speicher
Es zeigt sich immer wieder, dass es nicht zwingend notwendig ist, den Fokus allein auf den Netzausbau zu richten. Im Gegenteil, denn mehr Netzausbau bedeutet weniger Speichermöglichkeiten und damit weniger Flexibilität. Dass man den Ausbau der Erneuerbaren Energien zum jetzigen Zeitpunkt drosselt, stößt mit Blick auf die Klimaschutzziele nicht nur auf massive Kritik bei Natur- und Umweltschutzverbänden, sondern auch bei all jenen, die ihre Hoffnung in ein für Deutschland (und Europa) richtungsweisendes Energiekonzept gelegt hatten. Die Beteuerungen und Bekenntnisse zur Energiewende klingen bei näherer Betrachtung der Ökostromreform wie blanker Hohn.
Innerhalb kürzester Zeit wurde die EEG-Novelle durch den Bundestag gesetzlich verankert, mit Zustimmung des Bundesrates. Man verabschiedete sich sozusagen selbstzufrieden in die politische Sommerpause und kann sich nun über den Applaus der Kohle- und Atomindustrie freuen, die neuen Aufwind verspüren.
Bei der Veranstaltung Faktencheck „Speicher in der Energiewende“ wurde massive Kritik am Bundeswirtschaftsministerium laut. Der Vorwurf der Konzeptlosigkeit stand bei den anschließenden come-together-Gesprächen mehrfach im Raum. Beispiel: Während man auf der einen Seite den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschränkt und Investitionsanreize streicht, fördert man auf der anderen Seite den Kauf von Elektroautos. Mit welchem Strom sollen diese Autos fahren? Mit Kohle- und Atomstrom?
Leider scheitern vielversprechende Lösungsansätze für eine zukunftsorientierte Energiepolitik in Deutschland an der Beratungsresistenz des zuständigen Ministers, der nicht müde wird, den Akteuren des EE-Marktes Lobbyismus vorzuwerfen, während er gleichzeitig durch den sogenannten „Kohlekompromiss“ den Kraftwerksbetreibern, also den großen Energiekonzernen, satte staatliche Prämien zugesteht. Keine Abgabe für CO2-Emissionen, dafür Milliardenzuschüsse für Kapazitätsreservehaltung der alten Kohlemeiler. Die Atomindustrie erhält ebenfalls „Geschenke“. Man plant die Abschaffung der Brennelementesteuer und überträgt gleichzeitig die Kosten für Endlagerung und Atommüll-Entsorgung auf die Allgemeinheit. Ebenso wird der ambitionierte Netzausbau die Stromrechnung für Normalverbraucher belasten, während die energieintensive Industrie ja bekanntlich von EEG-Umlage und Netzentgelt befreit ist. Auch Redispatchmaßnahmen sind ein alltägliches Procedere im Stromnetzbetrieb und nicht alleine der Volatilität der Erneuerbaren Energien geschuldet.
HGÜ-Leitungen in Erdverkabelung sind wie der „Berliner Flughafen der Energiewende“ – über diesen Vergleich im Expertengespräch war der Vertreter des BMWi „not amused“. Wir schon, denn vielleicht bedarf es extremer Vergleiche um die Bundesregierung wachzurütteln bevor Deutschland in eine klima- und wirtschaftspolitische Katastrophe schlittert. Erdverkabelung ist aus Sicht des BMWi offensichtlich eine Möglichkeit die Akzeptanz in der Bevölkerung für zukünftigen Netzausbau zu erhöhen und bei gewissenhafter Planung wären auch die Kosten abschätzbar. Doch rechtfertigt dies keinen uneingeschränkten Leitungsbau, der einzig dem grenzüberschreitenden Stromhandel geschuldet ist.
Speichertechnologien sind für die Energiewende unverzichtbar, ihr Erfolg hängt maßgeblich von den richtigen Fördermaßnahmen ab, denn nur so kann eine schnelle Marktintegration stattfinden. Volkswirtschaftlich vertretbar sind Förderungen erst dann, wenn sie gezielt eingesetzt werden und sich Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam an einem Energieentwicklungsplan orientieren, der kompromisslos die Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien in den Bereichen Strom, Wärme und Mobilität vorantreibt.