Fachkonferenz „Bodenschutz an HGÜ-Erdkabeltrassen“

(21.06.2016) Tjark Bartels (SPD), Landrat von Hameln-Pyrmont, hatte im Namen des „Hamelner Kreises“ zur Fachkonferenz „Bodenschutz an HGÜ-Erdkabeltrassen“ nach Fulda eingeladen. Der politische Schulterschluss von mittlerweile 20 Landkreisen entlang des SuedLink und der Region Hannover begleitet auf Grundlage der Hamelner Erklärung die SuedLink-Planungen. Juristisch beraten durch die Rechtsanwaltskanzlei de Witt, will man den politischen Einfluss verstärkt auf das WO und WIE der HGÜ-Leitung legen, über die Notwendigkeit dieser Gleichstromtrasse will man mit den Bürgerinnen und Bürgern – deren Interessen man zu vertreten vorgibt – nicht mehr diskutieren.

Dies ist für den Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink (BBgS) Anlass genug, die Beweggründe  dieser Landkreis-Vereinigung und gleichzeitig die Ziele der Hamelner Erklärung zu hinterfragen.

Durch die Hamelner Erklärung erkennen die Landkreise die Notwendigkeit der Energiewende an und in diesem Zusammenhang auch den Ausbau der Stromnetz-Infrastruktur. Allerdings unter der Bedingung, dass der Bedarf an den notwendigen Maßnahmen durch ein schlüssiges Gesamtkonzept nachgewiesen ist.

Dieses schlüssige Gesamtkonzept gibt es aus Sicht des BBgS bis heute nicht. Gleichzeitig werden die Bedarfskriterien für den Bau der HGÜ-Leitungen weder transparent noch vollumfänglich dargestellt. Die Erkenntnis, dass die Öffentlichkeit diesen Netzausbau nur im Zusammenhang mit der Energiewende akzeptieren würde, hat alle Entscheidungsträger (von den bedarfsermittelnden Übertragungsnetzbetreibern über die Bundesnetzagentur bis hin zum Bundeswirtschaftsministerium) dazu veranlasst, den SuedLink als Windstromleitung in den Köpfen der Menschen zu verankern. Eine strategische Meisterleistung die – durch Steuer- und Fördergelder unterstützte Werbekampagnen – den Blick auf die vorrangige Bedeutung der geplanten Stromnetzinfrastruktur als europäisches und internationales Energieverbundsystem verhindert. Der geplante HGÜ-Netzausbau dient dem uneingeschränkten Stromhandel und füllt die Kassen von Übertragungsnetzbetreibern und Energiegroßkonzernen, richtet die künftige Energiewirtschaft erneut auf ein zentralistisches System aus und das Bundeswirtschaftsministerium wird durch lobbygesteuerte Entscheidungen zum Erfüllungsgehilfen degradiert.

Wenn gleichzeitig durch die Novellierung des EEG der dezentrale Ausbau der Erneuerbaren Energien eingeschränkt wird und der überdimensionierte Netzausbau die Entwicklung und Förderung von Speichertechnologien für die Energiewende verzögert, ist das Einhalten der Klimaziele von Paris gefährdet.

Der geplante Umbau der Energiewirtschaft kann den Landkreisen nur dann langfristig zugutekommen, wenn die Landräte das Augenmerk auf regionale Energiekonzepte lenken und die Möglichkeiten einer dezentralen Energieversorgung ausloten. Hierzu geben die Kopernikusprojekte des Bundesforschungsministeriums genügend Ansatzpunkte. Für die  Energiewende sind nicht die geplanten Stromautobahnen zwingend notwendig, sondern eine gut funktionierende Verteilnetzstruktur mit strategisch sinnvollen Netzverknüpfungspunkten. Die Integration von Speichertechnologien kann den notwendigen Netzausbau ebenfalls reduzieren. Doch leider sind in dieser Hinsicht keine nennenswerten Bemühungen der Landkreise des Hamelner Kreises erkennbar. Viel zu früh ruht man sich auf dem Teilerfolg Erdverkabelung aus und verschließt sich gegenüber alternativen Lösungsansätzen.

Den Bodenschutz an HGÜ-Erdkabeltrassen zu thematisieren ist zwar lobenswert, doch muss man auch bereit sein, die Fakten zu beleuchten und über die Konsequenzen zu diskutieren, denn es geht um weitreichende Entscheidungen, die eine umfangreiche und gewissenhafte Planung voraussetzen. Der Hamelner Kreis befürwortet eine Beschleunigung des Planungsverfahrens und hofft dabei auf Transparenz in allen Planungsschritten. Die Fachkonferenz in Fulda hat aber deutlich gezeigt, dass dies nicht möglich sein wird, denn Erdkabeltrassen erfordern einen detaillierteren Planungsansatz als durch die Bundesnetzagentur im Rahmen der Antragsprüfung nach §6 NABEG vorgesehen ist.

Die Impulsvorträge der geladenen Fachreferenten (siehe Homepage Hamelner Erklärung) stellten klar, dass man den meisten bodenschädigenden Risiken bei Erdverkabelung  durch sorgfältige Planung entgegenwirken kann. Allerdings garantiert niemand, dass dies ausreichend berücksichtigt wird. Beispielsweise wurde in Bergrheinfeld (möglicher Konverterstandort) fruchtbares Ackerland durch die Fa. TenneT aufgekauft, ohne dies mit den Landwirten abzustimmen und eventuell weniger wertvolle Böden für Baumaßnahmen in Erwägung zu ziehen.

Die Protestbewegung innerhalb der Bevölkerung richtete ursprünglich ihr Augenmerk auf negative Auswirkungen von Freileitungen auf Gesundheit und Lebensqualität, auf Natur, Landschafsbild, Wohnumfeldschutz und Wertverlust bei Immobilien. Umwelt- und Bauernverbände melden nun verstärkt Widerstand gegen Erdverkabelung an, gerade in Bezug auf den Boden- und Gewässerschutz und auf die negativen Auswirkungen in Land- und Forstwirtschaft. Ernteausfälle werden befürchtet und damit nicht abschätzbare wirtschaftliche Verluste. Die Verunsicherung unter den Landwirten ist groß und so verwundert es nicht, dass inzwischen hauptsächlich über Entschädigungsforderungen diskutiert wird.

All dies hat mit einem schlüssigen Gesamtkonzept, wie in der Hamelner Erklärung gefordert, nichts zu tun. Ein PCI (Project of common interest) wie der SuedLink, mit einer unvorhersehbaren Kostendynamik, bedeutet steigende Netzentgelte für Deutschlands Stromverbraucher. Man sollte dabei auch erwähnen, dass energieintensive Unternehmen (auch solche, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen) weder Netzentgelte noch die EEG Umlage vollumfänglich bezahlen. So werden immer weiter steigende Kosten auf immer weniger Schultern verteilt. Mit gerechter Lastenteilung, wie in der Hamelner Erklärung gefordert, hat dies nichts zu tun.

Als Moderator der Fachkonferenz in Fulda hätte sich Herr Bartels zu den Zielen seines Bundeswirtschafsministers bekennen können, der mit den europäischen Nachbarstaaten  bereits Vereinbarungen getroffen hat, die eine freie Preisbildung und grenzüberschreitenden Stromhandel garantieren. Die Vorteile des Binnenmarktes werden dabei mit Versorgungssicherheit zu angeblich geringeren Kosten begründet. Dass unsere „energiewirtschaftlichen Partner“ (meist Atom- und Kohleländer) darauf drängen, die deutschen Stromnetze für diesen uneingeschränkten Stromhandel auszubauen, wird in der Diskussion bewusst nicht erwähnt. Die Frage wer diese Netzausbaukosten tragen wird ist bereits beantwortet: die Bevölkerung, Mittelständische Unternehmen,  Kommunen,…

Die Landräte sollten sich bewusst sein, dass man sich hier in Abhängigkeiten begibt, die alle Chancen auf Eigenbestimmung und Wertschöpfung in der eigenen Region zunichtemachen. Bürgerenergiewende war gestern, jetzt unterwirft sich die Politik dem Diktat der Großindustrie und der Übertragungsnetzbetreiber. Mit Energiewende und einem schlüssigen Gesamtkonzept hat dies wirklich nichts zu tun.

Dass am Ende der Veranstaltung die Podiumsdiskussion mehr oder weniger abgewürgt wurde, war erstens der begrenzt zugelassenen Rednerzahl und zweitens dem mehrfachen Hinweis von Herrn Bartels geschuldet, dass sicherlich die Mehrzahl der Teilnehmer (?) rechtzeitig zum Anpfiff des Fußballspiels der deutschen Nationalmannschaft zuhause sein möchte.

Nun, man muss eben Prioritäten setzen.