Schon seit geraumer Zeit fordern die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) weitere HGÜ-Leitungen für das deutsche Stromnetz. Obwohl die Erörterungstermine zu SuedLink noch nicht abgeschlossen bzw. bewertet sind, bestätigt die Bundesnetzagentur (BNetzA) im aktuellen 2. Entwurf des Netzentwicklungsplans 2030(2019) bereits den Bedarf an (vorerst!) einer zusätzlichen HGÜ-Leitung und stellt somit vor den gesetzlich vorgeschriebenen Konsultationsverfahren die Weichen für die nächste Höchstspannungsleitung. ÜNB und BNetzA zeigen sich vom bisherigen Widerstand gegen die HGÜ-Leitungen wenig beeindruckt und lassen jede Öffentlichkeitsbeteiligung durch ihr Handeln zur Farce werden.
Die Erörterungstermine sind für alle Einwender mit einem großen zeitlichen Aufwand verbunden. Welchen Einfluss dieses Engagement letztendlich auf die weitere Trassenplanung von SuedLink haben wird, bleibt zunächst unbeantwortet. Der Bürgerprotest konnte bisher (berechtigterweise) zumindest eine Verzögerung des Planungsverfahrens bewirken. Allerdings wurden im NABEG weitere Beschleunigungsmaßnahmen verankert um künftig Beteiligungsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit einzuschränken. Die Konsultationsfrist für den aktuellen Netzentwicklungsplan (NEP) endet am 16. Oktober.
Leider überschneiden sich die Erörterungstermine teilweise mit den von der BNetzA angebotenen Informationstagen zum Netzentwicklungsplan, was eine Teilnahme für viele Interessierte ausschließt. Ob diese Terminplanung bewusst gewählt wurde, bleibt der Einschätzung jedes Einzelnen überlassen.
Gleichzeitig verstärkt sich der Unmut über die Art und Weise, wie die BNetzA den Ablauf der Erörterungstermine zu steuern versucht. Beschwerden aus den Reihen der Bürgerinitiativen reichen von genereller Ablehnung der Zugangsberechtigung für Einwender, über Einschränkung des Rederechts, Einflussnahme auf Zeit und Inhalt der Fragestellung, bis hin zu verschleiernden, nichtssagenden Aussagen seitens der Übertragungsnetzbetreiber zu bisherigen planerischen Tätigkeiten in Bezug auf Alternativen- und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).
Ein erneuter Blick auf die völkerrechtlich verbindliche Aarhus-Konvention gibt dem Bürgerunmut Recht. Hier wird auf eine diskriminierungsfreie Beteiligung zu allen Konsultationen im Zuge eines laufenden Verfahrens hingewiesen. Das Recht auf Information, auf Mitsprache und das Recht auf gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen ist Teil einer aktiven Umweltdemokratie.
Der Bedarf an SuedLink wurde von ÜNB, BNetzA und Politik vor den öffentlichen Beteiligungsverfahren festgelegt und wird innerhalb der Erörterungstermine nicht mehr zur Diskussion gestellt. Dennoch sprechen die in den Konsultationen ermittelten Raumwiderstände vielerorts gegen den Leitungsbau. Folgende Themen sollen nun u.a. erörtert werden:
- Im Rahmen der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 9 NABEG neu eingebrachte Alternativen
Wir fragen, wann wurden diese Alternativvorschläge zum Trassenverlauf neu eingebracht? Denn nach Festlegung des Untersuchungsrahmens, Erstellung, Einreichung und Prüfung der entsprechenden Unterlagen durch die BNetzA, ist dies im späteren Verfahren nicht mehr möglich. Es sei denn, man beruft erneut Antragskonferenzen für „Neubetroffene“ ein.
- Siedlungsannäherung
Wir wissen, dass es keine Mindestabstände für SuedLink in Erdverkabelung gibt. Dennoch, in der Umgebung von HGÜ-Leitungen treten statische elektrische und magnetische Felder auf. Sich dabei einzig auf gesetzlich geregelte Grenzwerte zu berufen, greift zu kurz. Der Vorsorgegedanke sollte weiterhin einen Stellenwert in der laufenden Diskussion haben, denn relevante Forschungsergebnisse sind erst in Jahren zu erwarten. Das Thema haben wir im BBgS bereits in einer Stellungnahme für das Forschungsprogramm des BfS „Strahlenschutz beim Bau von Stromleitungen“ erörtert.
- Land- und Forstwirtschaft
Durch Entschädigungs- bzw. Kompensationszahlungen können die im Zuge der Bauphase auftretenden Umweltschäden für Land- und Forstwirte nur zum Teil ökonomisch ausgeglichen werden. Die Verlegung von Erdkabeln ist jedoch mit einem erheblichen ökologischen Risiko verbunden, mit verheerenden Folgen für die Allgemeinheit. Vor allem die Wälder – inzwischen auch Jahrhunderte alte Baumbestände – sind infolge der andauernden Hitzesommer stark belastet, Zwangsrodungen sind bereits an der Tagesordnung. Der Wald braucht besonderen Schutz um seiner Rolle als CO2-Speicher weiterhin gerecht zu werden. Jeder Eingriff verändert das Bestandsinnenklima eines Waldes, er wird anfälliger für Windbruch, Schädlingsbefall, etc.
- Erörterung der Umweltbelange
Die größten Bedenken gegenüber einer angemessenen Umweltprüfung ergeben sich aus den teilweise veralteten Unterlagen (Regionalpläne/Kartierungen…) auf die sich das Planungsverfahren bezieht. Um dauerhafte Beeinträchtigungen (Bodenverdichtung, Erosion, Änderung des Wasserhaushalts,…) zu vermeiden, bedarf es bereits im Rahmen der Bundesfachplanung einer zusätzlichen Prüftiefe.
Den Erfahrungen und dem Wissen regionaler Natur- und Umweltvereine (den betroffenen Menschen vor Ort), ist hierbei eine besondere Stellung einzuräumen. Durch regelmäßige Beobachtungen und vereinsinterne Aufzeichnungen können sie regional Aufschluss über den aktuellen Bestand schützenswerter Arten (gem. FFH-Richtlinie) geben und dazu beitragen irreversible Schäden zu verhindern.
Wenn in einem so umfangreichen und langwierigen Verfahren wie der Bundesfachplanung falsche Vorentscheidungen gerichtlich nicht angreifbar sind, gleichzeitig aber bestimmte Umweltauswirkungen gar nicht untersucht werden, widerspricht dieses Vorgehen dem Sinn und Zweck einer Strategischen Umweltprüfung.
- Erörterung der Raumverträglichkeit
Der geplante Bau der HGÜ-Leitung SuedLink ist mit einem enormen Flächenverbrauch verbunden. Für die Verlegung der Erdkabel werden konservativ geschätzt 7000 Hektar Land (=70 Millionen m²) benötigt, ohne Berücksichtigung von Zuwegung, Nebenanlagen, etc.. Zusätzlich besteht vor allem im Bereich der Siedlungsannäherung hohes Konfliktpotential. Während den gesundheitlichen Risiken durch permanent erhöhte elektrische und magnetische Felder in Wohnbereichsnähe von Seiten der BNEtzA und der ÜNB nach wie vor keine Bedeutung beigemessen wird, sind im Sinne der Raumordnung zumindest regionale Bauleitplanungen so zu berücksichtigen, dass die strukturelle Entwicklung der Ortschaften nicht behindert wird.
Mit den Erörterungsterminen enden für uns die Möglichkeiten im Rahmen der Bundesfachplanung unsere Bedenken gegenüber dem Bau von SuedLink vorzubringen.
Bisheriges Fazit: Die Bundesnetzagentur informiert zwar in zahlreichen Veranstaltungen und über eine eigene Plattform zu Umwelthemen beim Stromleitungsbau über Umweltbelastungen und die Zerstörung von wertvollen Schutzgütern, zieht aber leider keine Konsequenzen daraus. Und Bundeswirtschaftsminister Altmaier wird inzwischen von Seiten der Wirtschaft eine desaströse Klimapolitik bescheinigt. Stromnetzausbau ist nicht gleich Energiewende, hoffentlich kommt diese Erkenntnis nicht zu spät. (MQ)