Die verstärkten Anfragen aus den Reihen der Bürgerinitiativen, wie man sich in Zukunft besser in den Verfahrensprozess zu SuedLink einbringen könnte, bestätigen: Das Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) bedeutet eine massive Beschränkung der Einspruchsmöglichkeiten. Da die Bundesnetzagentur inzwischen die Antragskonferenzen und die Erörterungstermine ausnahmslos durch Online-Konsultationen ersetzt, ist kein persönlicher Diskurs mehr möglich, der Austausch und die Vernetzung der Betroffenen untereinander ist gekappt. Aus diesem Anlass haben wir uns im BBgS erneut mit einem Schreiben an die BNetzA gewandt:
Stellungnahme und Einspruch gegen die Vorgehensweise der BNetzA im weiteren Verfahren zu SuedLink (Vorhaben 3 und 4)
Mit welcher Vehemenz die Bundesnetzagentur inzwischen die Beschleunigung des Netzausbaus vorantreibt, eine transparente Bürgerbeteiligung zunehmend verhindert und inzwischen ohne Antragskonferenzen den Untersuchungsrahmen für den nächsten Schritt im Planfeststellungsverfahren festlegt, muss auf das Schärfste kritisiert werden. Wer eine schriftliche Stellungnahme wie selbstverständlich als „Besprechung“1 bezeichnet und dabei auch noch auf §15 Abs. 3 S. 1 UVPG2 verweist, ignoriert vorsätzlich die Rechte aller Beteiligten.
Die Abgabe einer Stellungnahme für das Planfeststellungsverfahren zu Abschnitt A ist mit dem 17.07.2020 befristet. Es liegt im Ermessen der BNetzA eine entsprechend gesetzlich vorgeschriebene Antragskonferenz vor Ort abzuhalten, doch diese Option wurde von vorne herein ausgeschlossen, obwohl in Schleswig-Holstein unter Einhaltung der Krisenvorschriften (Hygienekonzept) Versammlungen3 bis zu 100 Personen in geschlossenen Räumen möglich sind.
Auch die Nachbeteiligung zu den Trassenkorridorsegmenten 448, 461 und 451 findet als reine Online-Konsultation statt und ist vom 29.06.2020 bis 24.07.2020 anberaumt. Der Erörterungstermin entfällt. Unter dem Gesichtspunkt, dass hier Menschen betroffen sind, die bisher weder mit den Beteiligungsmöglichkeiten im Verfahren noch mit dem Umgang und der Bewertung hunderter Seiten an Online-Unterlagen vertraut sind, ist die Frist zu kurz bemessen um eine fundierte Stellungnahme mit fachlichem Hintergrund (z.B. geologischen Gutachten) abzugeben. Dies nimmt die BNetzA in Kauf und rechnet anscheinend mit einer geringen Beteiligung. Denn auch in Bayern und in Hessen wären Vor-Ort-Veranstaltungen mit 50 – 250 Personen möglich.
- Quelle Wikipedia: Die Besprechung …ist eine Gesprächsform in Organisationen, bei der Teilnehmer aus einem bestimmten Arbeitsgebiet durch persönlichen Kontakt gegenseitig Sachverhalte, Probleme, Meinungen und Planungen vorbringen können.
- https://dejure.org/gesetze/UVPG/15.html
- In den jeweiligen Landesverordnungen nachzulesen
Öffentlichkeitsbeteiligung durch PlanSiG ausgeschaltet
Fazit: Wie bereits erwartet, nutzt die BNetzA die Gelegenheit durch die Anwendung des PlanSiG für Antragskonferenzen und Erörterungstermine die Öffentlichkeitsbeteiligung systematisch auszuschalten. Denn seit Beginn der Corona-Pandemie sind inzwischen Lockerungen bzgl. der Teilnehmerzahl in allen Bundesländern erfolgt und da sogar ÜNB TenneT inzwischen wieder Vor-Ort-Veranstaltungen anbietet, ist das Manöver der BNetzA schnell durchschaut. Trotz schöner Worte und Beteuerungen – man will den Diskurs zwischen Vorhabenträgern, den Trägern öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit nicht mehr als letzte Möglichkeit zur Abwägung und Verfestigung von Gegenargumenten zulassen und bewerten. Man will den Netzausbau (ohne, Zitat Hr. Otte „…Bremsspur“) weiter beschleunigen. Dieses Vorgehen ist inakzeptabel!
Eine Antragskonferenz bzw. ein Erörterungstermin im Onlineverfahren ist ein Affront gegenüber dem Engagement der Bürger*innen
Mit den neuen Onlinekonsultationen wird jeder lösungsorientierte Dialog verhindert. Bisher konnte in einem Erörterungstermin die Argumentationskette der einzelnen Teilnehmer – ÜNB, BNetzA, TÖB, Bürgerinitiativen, Umweltverbände, etc. – für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar dargestellt und vor allem diskutiert werden. Dies ist jetzt nicht mehr möglich. Einzig das Interesse der Behörde an einem beschleunigten Verfahrensende steht nun im Vordergrund.
Die Öffentlichkeit musste in den letzten Jahren Schritt für Schritt – vom BBPlG bis hin zur Novellierung des NABEG – viele Einschränkungen in Beteiligungsverfahren hinnehmen. Jetzt werden lang erkämpfte Bürgerrechte vorsätzlich immer weiter ausgehebelt und letztendlich abgeschafft. Auch die Aahrus-Konvention und EU-Recht werden geflissentlich ignoriert. Die Stromnetzplanung kann somit im Interesse der ÜNB ohne ausreichende Kontrollfunktion durch Umweltverbände, betroffene Bürger*innen und Kommunen vorangetrieben werden.
Denn wäre die BNetzA tatsächlich daran interessiert alle relevanten Belange im größten Netzausbauprojekt Deutschlands zu ermitteln, würde kein Weg an Präsenzveranstaltungen vorbeiführen. Onlinekonsultationen können den Beteiligungsprozess (wie bisher) ergänzen, aber dieses Format der Bürgerbeteiligung ist in keiner Weise geeignet, Veranstaltungen – aus denen letztendlich verbindliche gesetzliche Verordnungen resultieren – zu ersetzen. Bleibt noch anzumerken, dass es durch reguläre Antragskonferenzen und Erörterungstermine in keinem Fall zu einer nennenswerten Verzögerung des Verfahrens gekommen wäre.
Wir nehmen daher an, dass durch die nun praktizierte Vorgehensweise der BNetzA systematisch die Teilnehmerzahl an Konsultationen begrenzt werden soll. Weniger Einwände werden dann mit weniger Widerstand gleichgesetzt. Passwortgeschützte Zugänge zu Synopsen und Präsentationsfolien erschweren den Austausch von Informationen zusätzlich und grenzen bewusst die interessierte Öffentlichkeit aus. Stellungnahmen, selbst mit relevanten Hinweisen, werden nach Fristablauf nicht mehr berücksichtigt. Auch hier ist kein Entgegenkommen der Behörde aufgrund der besonderen Krisensituation erkennbar.
Onlinekonferenzen größtenteils gekennzeichnet durch technische Pannen und Manipulation
Letztendlich konnte durch die Einführung von Videokonferenzen und Webinaren bisher keine zufriedenstellende Informationsplattform bzgl. Netzausbau zur Verfügung gestellt werden, denn wer sich inzwischen an einer dieser Onlinekonferenzen beteiligt hat, wurde meistens bitter enttäuscht. Die Rückmeldungen an uns aus den Bürgerinitiativen waren eindeutig: Technische Schwierigkeiten bis hin zum Absturz der Verbindung wurden regelmäßig beanstandet, ebenso die scheinbar systematische Missachtung von gestellten Fragen durch die Moderatoren. Was anfangs noch als Anlaufschwierigkeit einer neuen Technik betrachtet wurde, ist mittlerweile zum ärgerlichen Standard geworden.
Dennoch, die Chance des zusätzlichen Meinungsaustausches kann künftig eine sinnvolle Ergänzung für Bürgerbeteiligung sein. Aber sobald ein Verfahren in die entscheidende Genehmigungsphase eintritt – dies ist spätestens mit Antragskonferenzen und Erörterungsterminen der Fall – müssen Vor-Ort-Veranstaltungen und der persönliche Diskurs Standard bleiben – auch in Corona-Zeiten.
Wir stellen daher erneut die Forderung nach fairen Beteiligungsverfahren mit der Möglichkeit öffentlich Stellung zu beziehen und alle Argumente gleichberechtigt vortragen zu können. Die Teilnahme der vom Netzausbau direkt betroffenen Bevölkerung muss gewährleistet bleiben. Dies haben wir bereits in unserem Schreiben vom 05.05.2020 deutlich zum Ausdruck gebracht.
Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink