Katastrophenschutz versus SuedLink

(29.08.2016) Pressemitteilung und Stellungnahme zum Thema: Katastrophenschutz versus SuedLink

Die Pläne der Bundesregierung, durch ein neues Konzept zur zivilen Verteidigung eine bessere Versorgungssicherheit der Bevölkerung im Katastrophenfall zu gewährleisten, rücken die geplanten Stromautobahnen SuedLink und SuedOstLink erneut in den Fokus.

„Ich kann mir vorstellen, dass es Gruppen und Staaten gibt, die herausfinden wollen, wie anpassungsfähig die deutsche Gesellschaft bei einem Stromausfall ist“.

Soweit die Worte des Bundesinnenminister anlässlich einer Pressekonferenz zum Katastrophenschutz. Endlich scheint ein Bundesminister den Zusammenhang zwischen Stromversorgung und Schutz der Bevölkerung verstanden zu haben. Herzlichen Glückwunsch Herr de Maizière! Gleichzeitig empfiehlt man von Regierungsseite ein gewisses Maß an Selbstversorgung. Also regionales, dezentrales Krisenmanagement. Leider wurde dieses Konzept nicht mit Wirtschaftsminister Gabriel abgestimmt. Was aber für Wasser, Lebensmittel und Alltagsdinge gilt, muss auch in der Energieversorgung berücksichtigt werden.

Können  diese Megaleitungen also für die Aufrechterhaltung der Stromversorgung in Krisenzeiten einen Beitrag leisten? Wir vom Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink (BBgS) meinen: NEIN!

Sie sind gerade der Schwachpunkt, durch den die öffentliche Ordnung, sowohl für die deutsche Bevölkerung, als auch für unsere europäischen Nachbarn, dauerhaft gefährdet wird!

Zum Sachverhalt:

Die Bundesregierung, allen voran Bundeswirtschaftsminister Gabriel, setzt alles daran, um in Deutschland das Energieversorgungssystem weiterhin zentralistisch auszurichten. Die vier großen Energiekonzerne RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall beherrschen heute ca. 80% des Strommarktes und die Energieversorgung war lange Zeit hauptsächlich auf Atom- und Kohlestrom ausgerichtet. Für die Übertragungsnetze sind ebenfalls vier Konzerne verantwortlich: TenneT, TSO, TransnetBW, Amprion und 50 Hertz Transmission. Das Geschäftsmodell dieser Monopolisten besteht darin, soviel Strom wie möglich (egal ob fossil oder erneuerbar) durch große Übertragungsleitungen in HGÜ-Technik über weite Strecken zu transportieren. Das bedeutet im schlimmsten Fall, durch den Ausfall einer einzigen Leitung, z.B. des SuedLink,  entsteht schlagartig eine Versorgungslücke von 4 GW. Dabei spielt es keine Rolle, wodurch eine Katastrophe ausgelöst wird, durch Wetterereignisse, Naturkatastrophen, terroristische Angriffe oder durch Sabotageakte. Die Stromerzeuger und die Übertragungsnetze sind darüber hinaus bereits heute beliebte Ziele von Cyberattacken!

Wenn man also die Stromversorgung von Leitungen dieser Größenordnung abhängig macht, kann von einer Versorgungssicherheit im Ernstfall nicht die Rede sein! Eine Dezentralisierung und Regionalisierung der Energieversorgung liegt offensichtlich weder im Interesse der Energiekonzerne, noch der Übertragungsnetzbetreiber und der Regierung.

Wir fordern Minister de Maizière auf, das Konzept eines wirksamen Katastrophenschutzes mit seinen Kolleginnen und Kollegen ressortübergreifend fortzuschreiben!

Die gesicherte Energieversorgung ist ein tragender Pfeiler des wirtschaftlichen Erfolges von Deutschland und Europa und dient damit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Die Absicherung dieser Schlüsselstellen des gesellschaftlichen Lebens ist also extrem wichtig. Angriffe (egal welcher Art) auf die Energieerzeugung, das Übertragungsnetz, auf Umspannwerke oder Leitstellen können Kettenreaktionen hervorrufen, wodurch die Stromversorgung in ganzen Teilen Europas lahmgelegt werden kann.

Trotz IT-Sicherheitsgesetz reichen die derzeitigen Maßnahmen zur Absicherung des Energiesektors nicht aus. Gigantische Übertragungsleitungen bilden eine gefährliche Schwachstelle und einen großen Risikofaktor. Bereits in der Planung der Versorgungssysteme muss der Fokus auf größtmögliche Sicherheit gelegt werden.

Regionalisierung und Dezentralisierung sind hier der Schlüssel zum Erfolg!

Als Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink sind wir bereit unsere demokratischen Pflichten zum Wohle der Allgemeinheit wahrzunehmen und werden unsere Vorstellungen darüber, wie eine sichere Energieversorgung gelingen kann, gerne im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit in die weitere Diskussion zum Thema „Katastrophenschutz versus SuedLink“ einbringen.

Weitere Hintergrundinformationen:

Gerade die letzte Novellierung des EEG hat erneut gezeigt, dass man bestrebt ist, den großen Konzernen auch das Feld der Erneuerbaren Energien zu überlassen. Die Zeit der Atomkraftwerke in Deutschland ist nahezu abgelaufen und so legt man nun mit einem neuen Geschäftsmodell das Augenmerk auf riesige Offshore-Windenergieparks in Nord- und Ostsee. Bürgerenergiewende? Fehlanzeige! Zentralistisch gesteuert, preisbestimmend und vor allem unbegrenzt soll der Strommarkt den alten Platzhirschen überlassen bleiben. Auch die Industrie sollte sich ihrer gesellschaftlichen und an sozialer Marktwirtschaft orientierten Verantwortung bewusst sein, anstatt über steigende Energiekosten zu jammern. Niemand behauptet, dass es die Umstellung auf Erneuerbare Energien umsonst gibt, aber unter Berücksichtigung der Subventionspolitik der vergangenen Jahre ist das Klagen der Konzerne heuchlerisch.

Der Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink (BBgS) ist überzeugt: Von den Bürgerinnen und Bürgern lässt man sich ein gigantisches Stromnetz bezahlen – immer unter dem Deckmäntelchen der Energiewende – während man gleichzeitig bestrebt ist, die alten Kohle- und Atomkraftwerke solange wie möglich am Netz zu halten. Atommüll und Folgekosten für Entsorgung und Lagerung  werden in die Verantwortung der Regierung (des Steuerzahlers) übertragen, während Energiekonzerne gleichzeitig vor internationalen Gerichten gegen die vorzeitige Abschaltung der Atomkraftwerke klagen. Alte Kohlekraftwerke gehen in gut bezahlte Reserveleistung, obwohl sie längstens abgeschrieben sind. Das Allgemeinwohl steht nicht zur Debatte, es geht nur um die eigenen wirtschaftlichen Interessen. Gewinne werden privatisiert – Verluste sozialisiert. Die Energieriesen werden versuchen ihr Machtmonopol auf dem Strommarkt aufrechtzuerhalten, eventuelle Katastrophenszenarien spielen dabei keine Rolle.

Immer wieder werden in allen Bereichen der Wirtschaft auf Kosten der Vielfalt und des Wettbewerbs gigantische Fusionen eingegangen, Konzerne verschmelzen und kartellrechtliche Bedenken werden wenn nötig durch Ministerentscheid weggewischt. Die Folgen für die Beschäftigten sind oftmals existenzgefährdend. Aber das hohe Lied der erfolgreichen Wirtschaftsmacht Deutschland wird weiter gesungen, die Börse reagiert mit Kurssprüngen und die Verantwortung für gesellschaftspolitische Fehlentscheidungen muss niemand tragen.

Durch die fortschreitende Digitalisierung der Welt wird es existentiell immer wichtiger, bereits bei der Planung von Versorgungssystemen den Fokus auf größtmögliche Sicherheit zu legen. Das heißt, nur eine Aufteilung in regionale Zonen mit vielen Netzverknüpfungspunkten und somit der Möglichkeit zur partiellen Abkoppelung vom Gesamtleitungssystem, kann bei einem möglichen Schadensfall die Auswirkungen auf die Energieversorgung minimieren.

Die verstärkte Beteiligung am Strommarkt durch Bürgerenergiegenossenschaften, Stadtwerke und regionale Verteilnetzbetreiber, bedeutet eine gewisse Autarkie und Unabhängigkeit von einer zentralistischen Energiewirtschaft. Speicherkonzepte und Quartierslösungen bieten sich für Gemeinden und Kommunen, für  ganze Stadtteile, Wohnsiedlungen und Gewerbetreibende als zukunftsorientierte und vor allem autarke Energieversorgung an. Doch während sich mittelständische Unternehmen bereits vernetzen und die Chancen auf gekoppelte Möglichkeiten zur Erzeugung, Speicherung und Verteilung von „Grünstrom“ erkannt haben und bedarfsgerecht konzeptionelle Gesamtlösungen anbieten können, bleibt das Bundeswirtschaftsministerium auf seinem Kurs zur Einschränkung für Erneuerbare-Energien-Anlagen. Investitionsanreize werden systematisch gestrichen und bereits erfolgreiche regionale Versorgungskonzepte  in die wirtschaftliche Unrentabilität geführt.

Anstatt die Vorteile der dezentralen Versorgung auch im Sinne der Vorsorge für den Katastrophenfall zu erkennen, bleibt der Bundeswirtschaftsminister (SPD) – und mögliche Kanzlerkandidat bei der nächsten Bundestagswahl – der Handlanger der einflussreichen Energiekonzerne und verliert immer mehr die Nähe zu seinen Wählern. Der Bundesinnenminister (CDU) wirbt für Regionalität und Autarkie beim Krisenmanagement, ohne zu begreifen, dass dies auch der Schlüssel für eine sichere Energieversorgung ist. Regionale Unabhängigkeit und im Krisenfall Verantwortung für die Allgemeinheit übernehmen, das klingt wie selbstverständlich für eine soziale Marktwirtschaft. Doch leider scheint man dies inzwischen vergessen zu haben.

Sollte das öffentliche Leben in Deutschland durch wie auch immer geartete Katastrophenfälle gefährdet sein, liegt es an der mangelnden Anpassungsfähigkeit unserer Politik (und nicht der Bevölkerung) sich auf neue Verhältnisse einzustellen, da sich die politische Zielsetzung an Wahlperioden und somit an persönlichen Befindlichkeiten (Einfluss- und Machtansprüchen) orientiert.

Der Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink warnt gemeinsam mit Umwelt- und Naturschutzorganisationen, Energieexperten und Vernetzungspartnern vor dem Ausverkauf unserer natürlichen Ressourcen für Energiebereiche, die längst durch Erneuerbare Energien (also mit unerschöpflichen „Rohstoffen“ wie Wind, Sonne, Biomasse, Wasserkraft, etc.) größtenteils abgedeckt werden können und fragt sich, wann sich Politik endlich für alternative energiepolitische Ansätze öffnet und bereit ist, ein für die Gesellschaft wertschöpfendes und soziales Energiekonzept zu entwerfen, das allen künftigen Anforderungen – auch denen eines bestmöglichen Katastrophenschutzes – gerecht wird.