Stellungnahme zur Ankündigung der Koalitionsspitzen zum Vorrang für Erdverkabelung bei Gleichstrom-Übertragungs-Leitungen und zum TenneT-Schreiben an die Bürgerinitiativen Ende Juli

Verschiedentlich ist an uns die Frage herangetragen worden, ob sich unsere Arbeit nun, da die Koalitionsspitze für HGÜ-Leitungen den Vorrang für Erdverkabelung angekündigt hat, erledigt hat?

Unsere Antwort: Nein, selbstverständlich nicht!

Und zwar aus folgenden Gründen:

  • Wir alle haben bis dato lediglich eine vollmundige Ankündigung, dass die Koalitionsspitze den Vorrang von Erdverkabelung bei HGÜs als Gesetzesvorlage ins Parlament einbringen will.
  • Wir haben zudem die Ankündigung von TenneT, dass das Unternehmen nach erfolgten Gesetzesänderungen „eine Neuplanung“ vornehmen müsse.
  • Wir haben derzeit noch keine neue Gesetzeslage! Es gibt noch keine Anordnung zum „Planungsstopp für SuedLink“ durch das BMWi an die Bundesnetzagentur!
  • Wir wissen nicht, durch welche Gebiete der SuedLink und andere Trassen letztlich geplant werden wird! Wir wissen aber, dass TenneT in Berlin versucht massiv Druck aufzubauen, um die alten Trassenverläufe beizubehalten!

Im Ergebnis könnte die „Neue Trassenplanung“ also auch der alten Trassenplanung entsprechen.

  • Wir wissen auch nicht, ob die angekündigten Gesetzesänderungen den Interessen und dem Schutz der Bevölkerung gerecht werden, da noch kein prüfbarer Gesetzentwurf vorliegt!
  • Wir wissen ebenso wenig, ob die dann geplanten Gesetzesänderungen überhaupt im Bundestag und Bundesrat die entsprechende Zustimmung erfahren werden!

Status quo ist nach wie vor der alte Stand. Auch deshalb müssen wir mit unserem Protest weitermachen und zwar mit dem Schwerpunkt auf der Forderung nach einer bürgernahen Energiewende.  

Lehnen wir uns jetzt zurück – wäre das genau das falsche Signal an die Politik!

Der BV der Bürgerinitiativen gegen SuedLink war und ist immer parteiübergreifend tätig. Wir führen mit allen Fraktionen Gespräche, ob auf Landes- oder Bundesebene und immer im Sinne einer verantwortungsvollen Energiepolitik. Wir verurteilen Aussagen, wonach vor allem jene Regionen bei Umplanungen berücksichtigt werden, in denen man sich für eine Erdverkabelung einsetzt. Dies entspricht nicht den Tatsachen, verunsichert lediglich die Bevölkerung und hätte mit einer seriösen Trassenplanung nicht das Geringste zu tun. Die Tatsache, dass es in allen betroffenen Bundesländern Bürgerinitiativen gibt, die den Bedarf der SuedLink-Trasse anzweifeln, ist Triebkraft unserer Verbandsarbeit.

Energie bedeutet nicht nur Strom, sondern auch Wärme und Mobilität. Große Industriebetriebe setzen bereits seit geraumer Zeit auf autarke Energieversorgung mit eigenen Kraftwerken und PtG-Anlagen. Die Inbetriebnahme des Energieparks Mainz Anfang Juli ist hierbei zukunftsweisend. Positiv ist in diesem Zusammenhang die Förderung durch das BMWi zu erwähnen und gibt einen guten Ansatzpunkt für weitere Gespräche mit den politischen Vertretern aller Parteien.

„So viel dezentral wie möglich, so zentral wie nötig“, diese Aussage von SPD-Vize Thorsten Schäfer Gümbel beim Gesprächstermin mit Bürgerinitiativen Ende Juli lässt erkennen, dass man auch auf Bundesebene um ein tragfähiges Konzept bemüht ist. Politische Versprechungen gab es in der Vergangenheit schon viele, deshalb sollten wir die anstehenden Gesetzesänderungen genauso kritisch begleiten, wie die Ankündigung von TenneT, dass die Planung möglicher Trassenkorridore neu aufgesetzt werden muss. Die Entscheidungen zu wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten, zu vermehrten Bündelungsoptionen mit bereits bestehenden Trassen und zu Naturschutzbelangen werden erst dann getroffen, wenn die Öffentlichkeit keinen Einfluss mehr auf das Verfahren haben wird. Die Möglichkeit der Enteignung von Grundstücksbesitzern schon vor dem Planfeststellungsverfahren ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Die Führung von Gleich- und Wechselstrom auf denselben Masten (Höhe!) und die verstärkten negativen Auswirkungen auf die Gesundheit hat niemand  transparent erläutern können.

Die Bedarfsermittlung für den SuedLink und die anderen HGÜ-Trassen wurde bis dato nicht schlüssig nachgewiesen und auf Grundlage der aktuellen VDE-Studie ist der Stromnetz-Ausbaubedarf, wie von der Bundesregierung in 2013 beschlossen, ebenfalls anzuzweifeln.

Der Bundesverband vereinigt alle Bürgerinitiativen die bereit sind, sich für eine bürgernahe Energiewende zum Wohle der Menschen und der Natur einzusetzen. Es darf in den Entscheidungen zur künftigen Energiepolitik in Deutschland keine Verlierer geben, jede Kommune und jeder Landkreis sollte die Möglichkeit zur dezentralen Energieversorgung haben, mit der entsprechenden Wertschöpfung für die eigene Region. Ohne dabei in Konkurrenz zu den vier monopolistisch organisierten Energiekonzernen treten zu müssen, zu deren Gunsten der Strommarkt 2.0 ausgelegt ist.

Dies ist die Triebfeder unseres Handelns und in dieser Verpflichtung sehen wir auch unsere weiterführenden Gespräche mit den politisch Verantwortlichen.

Wir fordern alle Bürgerinitiativen auf, sich weiterhin engagiert für unsere Forderungen nach einem zukunftsorientierten Energiewendekonzept einzusetzen und damit der Zielsetzung einer bürgernahen Energiewende unter Einbeziehung der neuesten Technologien Nachdruck zu verleihen.

„Die Bürger werden eines Tages nicht nur die Worte und Taten der Politiker zu bereuen haben, sondern auch das furchtbare Schweigen der Mehrheit.“ (Bertolt Brecht)

Wir freuen uns über jedes neue Mitglied im Bundesverband und möchten unsere Arbeit zielorientiert und auch öffentlichkeitswirksam fortführen, damit die mahnenden Worte von Bertolt Brecht an Bedrohlichkeit verlieren und gelebte Demokratie – mit Meinungsfreiheit, gesellschaftlicher Verantwortung des Einzelnen und Mitspracherecht – sichtbar wird.

Schon viele Initiativen haben sich unserem Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink angeschlossen und unterstützen mit großem Einsatz den Prostest gegen die HGÜ-Trassen. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken.